17-jährige Terrorverdächtige: Ein Jahr teilbedingte Haft

Die 17-jährige mutmaßliche Terroristin beim Prozessbeginn
Die 17-jährige mutmaßliche Terroristin beim ProzessbeginnAPA/HELMUT FOHRINGER
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Die junge Schwedin wurde in Wien wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung zu einem Jahr Haft, einem Monat davon unbedingt, verurteilt. Da ihr die U-Haft angerechnet wurde, ging die Jugendliche frei.

Jene 17-jährige Schwedin, die sich als mutmaßliche Terroristin vor einem Wiener Schöffensenat zu verantworten hatte, ist am Donnerstag wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung zu einem Jahr teilbedingter Haft - elf Monate davon bedingt - verurteilt worden. Ein Monat wurde unbedingt ausgesprochen, den Rest sah der Schöffensenat der Jugendlichen auf Bewährung nach.

Da die mehr als zweimonatige U-Haft auf die Strafe anzurechnen war, öffneten sich für die Jugendliche nach der Verhandlung die Gefängnistore. "Es ist nicht notwendig, die Angeklagte weiter einzusperren", hielt der vorsitzende Richter Andreas Hautz in der Urteilsbegründung fest. Wichtiger sei es, dass die 17-Jährige jetzt in ihre Heimat zurückkehrt "und man dort die nötigen Maßnahmen ergreift, eventuell durch Jugendwohlfahrtsbehörden". Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Während Verteidiger Wolfgang Blaschitz die Gerichtsentscheidung akzeptierte, gab Staatsanwalt Florian Pöschl vorerst keine Erklärung ab.

Die Jugendliche hatte sich im Straflandesgericht "nicht schuldig" bekannt. Sie behauptete, sie sei Anfang Dezember 2015 nach Wien gekommen, um drei Mädchen zu treffen. Dabei habe es sich um Twitter-Bekanntschaften gehandelt, zu denen die Angeklagte keine näheren Angaben machen konnte.

Dem Mädchen mit somalischen Wurzeln wurde von der Staatsanwaltschaft Wien vorgeworfen, sie habe über die sogenannte Balkanroute nach Syrien gelangen wollen, um sich dort der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) anzuschließen. Wie Staatsanwalt Florian Pöschl ausführte, war die Schülerin aus ihrem Elternhaus in Linköping - einer 140.000 Einwohner zählenden Industrie- und Universitätsstadt in der Provinz Östergötland - verschwunden und über Kopenhagen und Berlin in die Bundeshauptstadt gelangt.

Familie wandte sich an die Behörden

Ihrer Familie gelang es, die Vermisste mittels Handypeilung in Wien zu orten, worauf sie sich an die österreichischen Behörden wandten. Die Angehörigen äußerten dabei die Befürchtung, ihre Tochter, die sich zuletzt radikalisiert hätte, könne am Weg nach Syrien sein bzw. einen Anschlag planen.

Die 17-Jährige wurde schließlich am Westbahnhof aufgegriffen, wobei sie den einschreitenden Polizeibeamten beschied, sie habe "keine Bombe". In weiterer Folge wurde ein Strafverfahren wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung eingeleitet, denn bei der Untersuchung ihres Handys fand sich IS-Propaganda-Material, darunter Videos von Gräueltaten.

Zahlreiche Chat-Protokolle deuteten zudem auf eine radikalislamistische Gesinnung der 17-Jährigen und ihre Absicht hin, dass sie zum IS ins syrische Kriegsgebiet wollte. "Aber wenn sie sich nicht bekehren lassen, darfst du sie töten", hieß es etwa in einem Chat. Die Jugendliche begrüßte auch die Terror-Anschläge in Paris ("Man zahlt Frankreich seine Aktionen in Syrien zurück") und forderte Chat-Partner dazu auf, in den Jihad zu ziehen.

Verteidiger: Kein Kontakt zum IS

Seine Mandantin habe "diesen Leuten irgendwelche kruden Gedanken zugeworfen", hielt Verteidiger Wolfgang Blaschitz dem entgegen: "Die haben sich gefragt, ob sie irgendwo dagegen gelaufen ist oder noch ganz bei Trost ist". Die 17-Jährige habe zu keinem Zeitpunkt Kontakt zu IS-Mitgliedern gehabt und sich allenfalls mit Sympathisanten der Terror-Miliz unterhalten. "Das ist nicht strafbar", verwies Blaschitz auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und die ebenfalls verfassungsrechtlich verankerte Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Objektiv sei im vorliegenden Fall das Tatbild der terroristischen Vereinigung nicht erfüllt. "Die Anklage scheitert bereits auf der Tatsachenebene", meinte der Verteidiger.

"Ich wollte andere Mädchen treffen", sagte die zierliche Angeklagte in ihrer Einvernahme. Als sie ohne Reisepass und mit umgerechnet 171 Euro in Wien ankam, habe sie aber gleich wieder "nach Hause fahren" wollen. Auf die Frage, ob sie bei ihren bisherigen Angaben bleibe, dass sie die Mädchen nicht kenne, die sie angeblich treffen wollte, antwortete die Angeklagte mit einem deutlichem Ja. "Wenn sie nicht will, braucht sie gar nicht mit uns sprechen", bemerkte darauf der vorsitzende Richter Andreas Hautz, worauf die junge Schwedin erklärte, nun nichts mehr sagen zu wollen. Speziell Fragen zu ihrer Einstellung zum IS wollte sie nicht mehr beantworten, worauf der Richter mit der Verlesung des Akteninhalts, darunter die umfangreichen Chat-Protokolle begann.

Aufsehen in Schweden

Der Verhandlung wohnten zahlreiche schwedische Medienvertreter und auch die Eltern des Mädchens bei. Der Fall sorgte in Schweden für beträchtliches Aufsehen, zumal das, was der 17-Jährigen angekreidet wird, in ihrer Heimat nach derzeitiger Rechtslage gar nicht strafbar wäre. Deshalb hatte Schweden auch kein Auslieferungsersuchen erstellt, was erst die Zuständigkeit der Wiener Justiz begründete.

(APA )

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