Reform: Frauenpensionsalter ist vom Tisch

Pensionistin
Pensionistin (c) Clemens Fabry
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Die ÖVP rückt von der vorzeitigen gesetzlichen Erhöhung vor 2024 ab. Sie hat ihre Position für die startenden Verhandlungen mit der SPÖ festgelegt – inklusive Kompromissvarianten.

Wien. Neue Wendung vor dem ersten Treffen der Arbeitsgruppe der beiden Regierungsparteien heute, Freitag, wegen des Pensionsgipfels am 29. Februar: Die raschere Angleichung des Frauenpensionsalters an jenes der Männer schon vor 2024 ist als Hindernis für eine Einigung aus dem Weg geräumt. Mittels Verfassungsgesetz ist bisher die Erhöhung in Halbjahresschritten ab 2024 fixiert. Für die ÖVP ist ein Vorziehen kein Thema mehr.

„Wir konzentrieren uns auf andere Dinge“, formuliert ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger, der an der Seite von Finanzminister Hans Jörg Schelling mit der SPÖ verhandelt, im Gespräch mit der „Presse“. Hintergrund dafür ist, dass die ÖVP ein Vorziehen der Erhöhung des Frauenpensionsalters – in Diskussion war ein schrittweiser Start ab 2019/20 – wegen der breiten Ablehnungsfront in der SPÖ politisch als völlig unrealistisch ansieht. Nach der geltenden Regelung sind Frauen im ASVG ab dem Geburtsdatum Dezember 1963 von der schrittweisen Anhebung des Pensionsalters betroffen (Details siehe Grafik).

Schwerpunkte: Die ÖVP hat ihre Linie am Montag dieser Woche intern abgestimmt. Der Schwerpunkt des ÖVP-Reformplans liegt nun bei drei Punkten. Dazu zählt erstens die verpflichtende Umsetzung eines „Gerechtigkeitsmechanismus“, um längerfristig die Pensionsfinanzierung zu sichern. Dabei wird die steigende Lebenserwartung berücksichtigt, aber die ÖVP verabschiedet sich endgültig von der Pensionsautomatik, bei der das gesetzliche Pensionsalter nur aufgrund der steigenden Lebenserwartung automatisch erhöht wird. Der zweite Punkt ist die Einsetzung eines unabhängigen Expertenrats statt der jetzigen großen Pensionskommission. Drittens sind Verbesserungen und Änderungen bei dem seit 2014 geltenden Rehab-Geld für unter 50-Jährige geplant.

Frauenpensionsalter: Mit dem De-facto-Abschied von der vorzeitigen Erhöhung des Frauenpensionsalters (für Beamtinnen ist es schon jetzt bei 65 Jahren) kommt die ÖVP dem Koalitionspartner SPÖ entgegen. Damit sollen der SPÖ und deren Präsidentschaftskandidaten, Ex-Sozialminister Rudolf Hundstorfer, auch keine Munition mehr für den Hofburgwahlkampf geliefert werden. Ein späterer Pensionsantritt hätte den Frauen zu einer höheren Pension verhelfen sollen. Die ÖVP will nun das seit einem Jahrzehnt geltende freiwillige Pensionssplittung von Ehepaaren ausweiten. Dieses gilt bis zum vierten Lebensjahr des Kindes und soll – weiter freiwillig – bis zum zehnten Lebensjahr ausgedehnt werden. Ziel bleibt für Wöginger weiter die volle Anrechnung von Erziehungszeiten von vier Jahren pro Kind für Mütter. Derzeit ist das nicht der Fall, wenn mehrere Kinder innerhalb der vier Jahre geboren werden.

„Gerechtigkeitsmechanismus“: Wie von Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Schelling bereits signalisiert, ist eine Pensionsautomatik, bei der das gesetzliche Pensionsalter automatisch mit der steigenden Lebenserwartung erhöht wird, vom Tisch. Stattdessen sieht der ÖVP-Reformplan einen sogenannten „Gerechtigkeitsmechanismus“ vor, der neben Lebenserwartung und Pensionsalter andere Parameter einbezieht (Bundeszuschuss, jährlicher Anpassungsfaktor für bestehende Pensionen; Beiträge).

Verpflichtende Umsetzung: Eng damit verknüpft ist, wie die ÖVP künftig sicherstellen will, dass es jedenfalls zur Umsetzung von Reformvorschlägen kommt. Diese sollen nun von einem kleinen, unabhängigen Expertenrat und nicht mehr von der bisherigen, auch von den Sozialpartnern beschickten Pensionskommission erarbeitet werden. Vor allem Schelling möchte, dass die Politik mit einer Fristsetzung anders als bisher unter Zugzwang gestellt wird. Einigt sich die Regierung nicht innerhalb dieser Frist auf konkrete Maßnahmen, kommen die Vorschläge des Expertenrats zur Umsetzung. Es ist allerdings fraglich, ob die SPÖ sich auf ein derartiges Modell einlässt.

Rehab-Geld: Die größte rot-schwarze Einigkeit gab es schon bisher bei geplanten Änderungen (etwa durch mehr Schulungen) des Rehab-Geldes, das seit Anfang 2014 für unter 50-Jährige die Invaliditätspension abgelöst hat.

Auf SPÖ-Seite erschweren Forderungen an die Wirtschaft eine Einigung. So hat sich der ÖGB-Vorstand am Donnerstag unter anderem auf eine Ausweitung des Kündigungsschutzes für ältere Beschäftigte eingeschworen. Pensionskürzungen lehnen SPÖ und ÖGB ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2016)

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