Staatspleite 1811: "Bankrott ist eine Steuer wie jede andere"

Ein 25-Gulden-Bancozettel aus dem Jahr 1762.
Ein 25-Gulden-Bancozettel aus dem Jahr 1762.(c) Wikimedia Commons
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Am 20. Februar 1811 schlitterte Österreich in die erste Staatspleite. Der Hauptgrund: Kaiser Franz I. griff bedenkenlos zur Gelddruckmaschine.

Die Französische Revolution und Napoleon stürzten Europa zwischen 1790 und 1815, ehe der Wiener Kongress Frieden brachte, für über 20 Jahre in Kriege. Österreich hatte als Erbe des "Heiligen Römischen Reichs" die finanzielle Hauptlast zu tragen. Kaiser Franz I. griff in dieser Phase auch bedenkenlos zur Druckmaschine - Papiergeld, sogenannte Bancozettel, wurden gedruckt. Zwischen 1795 und 1802 verzehnfachte sich die Geldmenge von 35 auf 337 Millionen Gulden. Die Friedensjahre 1803 und 1804 brachten zwar kurzzeitig Budgetüberschüsse, doch bis Ende 1810 erreichte die Menge des in Umlaufs befindlichen Papiergeldes über eine Milliarde Gulden.

Gleichzeitig hatte sich Österreich nach der Niederlage im Österreichisch-Französischen Krieg von 1809 im Frieden von Schönbrunn dazu verpflichtet, 85 Millionen Francs Kriegskontribution an Frankreich zu zahlen. Die Staatsschulden waren zu diesem Zeitpunkt innerhalb von 20 Jahren von 338 Millionen auf mehr als 600 Millionen Gulden angewachsen. Allein der Schuldendienst verschlang 29 Prozent der Staatseinnahmen.

Papiergeld verdrängt Silber- und Kupfermünzen

Hauptproblem war aber die massive Menge von Papiergeld, die sich in Umlauf befand. Die Staatsführung dekretierte die Zwangsannahme von Papiergeld im Privatverkehr. Waren 100 Gulden Bancozettel im Jahr 1798 noch 92 Gulden in Silbermünzen wert, so lag dieses Verhältnis 1810 bei 15 Gulden in Silbermünzen. Die Bancozettel verdrängten also zunehmend Silber- und Kupfermünzen aus dem Geschäftsverkehr.

Um die Papiergeld-Vermehrung zu verheimlichen, ließ Kaiser Franz I. sogar 1804 eine eigene Druckerei gründen (aus der k.u.k. Hof- und Staatsdruckerei wurde später übrigens die Österreichische Staatsdruckerei). Im Februar 1810 versuchte die österreichische Regierung dann mit dem Patent vom 26. Februar die umlaufende Papiergeldmenge einzuschränken. Der Staat bot einen freiwilligen Umtausch der Scheine gegen Einlösungsscheine an. Diese sollten durch eine Vermögenssteuer getilgt werden. Das Angebot nahm allerdings kaum jemand an.

Bancozettel

Bancozettel waren das erste Papiergeld in Österreich. Sie wurden ab dem 1. Juli 1762 vom Wiener Stadtbanco im Gegenwert von 5, 10, 25, 50 und 100 Gulden ausgegeben. Die Emission von Papiergeld war damals eine neue Form zur Aufnahme günstiger Staatsschulden, da Bancozettel im Gegensatz zu Anleihen oder Krediten nicht verzinst waren.

Es kam, wie es kommen musste. Am 20. Februar 1811 erklärte die österreichische Regierung formell den Staatsbankrott. Die Bancozettel (und Kupfermünzen) wurden auf ein Fünftel des Nennwertes abgewertet und gegen neu zu emittierende "Einlösungsscheine" im Gesamtwert von 208 Millionen Gulden umgetauscht. Von Kaiser Franz I. wird in diesem Zusammenhang das Zitat übermittelt: "Was soll es. Ein Bankrott ist eine Steuer wie jede andere. Man muss es nur so einteilen, dass jeder gleich viel verliert."

Auch reichster Österreicher schlittert in Bankrott

Teilweise kam es zu Streiks, wie in der Tabakfabrik in Fürstenfeld. Das führte dort immerhin zu einer 50-prozentigen Lohnerhöhung. Doch es traf nicht nur die Armen und den Mittelstand. Bankier Moritz von Fries, der damals wohlhabendste Mann Österreichs (1800 besaß er rund zwei Millionen Gulden), verlor in Folge der Geldentwertung - aber auch aufgrund seines verschwenderischen Lebensstils - alles. Sein Bankhaus schlitterte 1826 in Konkurs. Fries war ein Förderer Beethovens, der ihm seine 7. Symphonie widmete. Dass Beethoven selbst sein heute noch populäres Klavierwerk "Wut über den verlorenen Groschen" in Erbitterung aufgrund finanzieller Verluste komponierte, gilt aber als widerlegt.

Der Kaiser gab sich nach der Pleite jedenfalls geläutert und versprach der Bevölkerung, die Geldsumme in Zukunft nie mehr zu erhöhen. Doch der erneute Krieg gegen Frankreich machte zusätzliche Finanzmittel erforderlich. Der Kaiser bediente sich eines Tricks: Neues Papiergeld, nun "Antizipationsscheine" genannt, wurde ausgegeben. De facto wurde damit die Zahl der Einlösungsscheine nicht erhöht. Wenig verwunderlich waren 1815 neben den 208 Millionen Gulden an alten Einlösungsscheinen bereits 470 Millionen Gulden an neuen Antizipationsscheinen im Umlauf. Zwar ging in diesem Jahr der Krieg gegen Napoleon siegreich zu Ende, doch neben der Verschuldung bei der eigenen Bevölkerung mussten Anleihen an andere Staaten wie England zurückgezahlt werden.

Die nächste Staatspleite

Nur fünf Jahre nach der ersten Staatspleite war es wieder soweit: Am 1. Juni 1816 kam es zum nächsten Staatsbankrott Österreichs. Erst mit der Gründung der Privilegirten Österreichischen Nationalbank am 1. Juli 1816 gelang es die Währung zu stabilisieren. Die Geldvermehrung wurde gestoppt, der Wert von Papiergeld stieg wieder. Der Geldverlust der Bevölkerung betrug über all die Jahre der Papiergeldvermehrung aber über 90 Prozent.

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