Fifa: Wie die Korruption den Fußball ins Abseits drängte

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FBL-FIFA-CORRUPTION-LOGOAPA/AFP/MICHAEL BUHOLZER
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Am Freitag wählt der Weltfußballverband einen neuen Präsidenten. Doch wird das alle Probleme lösen?

Korruption, falsches Spiel mit dem Kulturgut Fußball, Betrug an Fans. Absprachen, Begünstigung, Bestechung, Freunderlwirtschaft in Reinkultur, hoch dotierte, aber keineswegs gerechtfertigte Gehälter. Jahrzehntelanger Verkauf von Tickets und TV-Rechten auf eigene Rechnung – es sind erschütternde Anschuldigungen, die aber keinem Hollywood-Film entnommen worden sind, sondern aus einem anderen Buch stammen. 236 Seiten stark, verfasst in Brooklyn, von einer US-Richterin, die über Fußball, Fifa und Funktionäre informiert wurde, all die Entdeckungen des FBI aber nicht zusammenfassen konnte.

Sie stufte 2013 das Konstrukt rund um die Fifa als Rico-Act ein, Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act, als Kampf gegen einen „vom organisierten Verbrechen und Korruption beeinflussten“ Zusammenschluss.

Der Geldfluss sei von krimineller Energie geleitet, diese Verbrechen fanden weltweit statt, auch in den USA. Sie beträfen US-Banken, -Versicherungen, -Sponsoren – also Rico, damit hatten die FBI-Ermittler Handlungsfreiheit, obwohl die Fifa – wie 80 weitere Verbände – ihren Sitz (aus steuerlichen Gründen) in Zürich hat. Möglich wurden die Erkenntnisse aber erst, weil ehemalige Fifa-Granden wie Chuck Blazer angeklagt und postwendend redselig wurden, um straffrei auszugehen oder mildere Urteile zu erhalten. Kooperation mit Behörden, das ist der Doppelpass im Weltfußball.

Die von US-Justizministerin Loretta Lynch vorangetriebene Aufrollung dieses offenbar seit Jahrzehnten gelebten Systems stoppte im vergangenen Mai jäh alle Freuden der Fifa-Granden bei ihrem Kongress in Zürich. Es gab Razzien, Festnahmen und Beschlagnahmungen, die Schweizer Staatsanwaltschaft eröffnete parallel dazu Strafverfahren wegen der umstrittenen WM-Vergaben 2018 (Russland) und 2022 (Katar). All das führte dazu, dass der für eine fünfte Amtszeit gewählte Sepp Blatter am 2. Juni 2015 sein Amt zu Verfügung stellte.


Einsturz eines Kartenhauses. Daraufhin begann eine der mächtigsten Sportinstitutionen der Welt zusammenzufallen wie ein Kartenhaus. Laufend wurden neue Verhaftungen publik, Anklagen angekündigt, Auslieferungsverfahren eröffnet und per „Zeitungs-Flanken“ Schritte der Ermittler veröffentlicht wie die Konfiszierung von neun Terabyte Daten, 50 gesperrte Funktionärskonten, 104 aufgedeckte Bankverbindungen in der Schweiz und 53 Verdachtsfälle von Geldwäsche.

Selbst im Land des Fußballweltmeisters Deutschland begann das so penibel gepflegte Rasenidyll zu zerbröckeln. Eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro, das Geld borgte sich das WM-OK vom ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus, und ein von Franz Beckenbauer unterschriebener Vertrag mit dem für seine Geschäftspraktiken höchst umstrittenen Fifa-Funktionär Jack Warner, verwandelte das Sommermärchen 2006 zehn Jahre später in einen Albtraum. Die Ermittlungen laufen in Deutschland (Steuerfahndung), in der Schweiz und in Amerika. Wer der wahre Empfänger der Millionen ist, ist weiterhin unbekannt. Die Widmung des Geldes ebenfalls – und alle Beteiligten weisen Schuld oder Bestechungsversuche zurück.

Die gleiche Taktik – mauern, dementieren und attackieren – betreiben derweil auch Blatter und sein mit ihm über ein dubioses, 2011 und damit neun Jahre verspätetes Beraterhonorar von 1,2 Millionen Euro gefallener Erzfeind Michel Platini. Der 79-jährige Schweizer wurde deshalb im Dezember für acht Jahre gesperrt, der 60-jährige Franzose ebenfalls. Beide bemühen die Berufungskommission, sie versuchen ihre Namen, Karrieren bzw. Reputation zu retten. Die rechtskräftigen Urteile sollen diese Woche folgen.

Dass ihre Argumentationen obskur anmuten, ist Folge der wahren Dimension dieses Skandals. Blatters Nachfolger – siehe Artikel links und rechts – ist diesbezüglich gefordert. Er muss dem Fußball wieder Ansehen, seinen Machern Glaubwürdigkeit verschaffen.

Steckbriefe DER WEITEREN KANDIDATEN

Ali bin al-Hussein
Der Jordanier, 40, war schon zur Wahl im Mai angetreten – und verlor glatt gegen Sepp Blatter.

Der vierte Sohn des verstorbenen Königs Hussein I. ist seit 1999 Verbandspräsident. 2011 wurde er Vizepräsident der Fifa-Exekutive, wurde aber pikanterweise 2015 just für Scheich Salman al-Khalifa „ausgewechselt“.

Jérôme Champagne
Der Franzose, 57, ist Berufsdiplomat und Ex-Generalsekretär der Fifa (1999 bis 2010). Er wurde von Sepp Blatter gefeuert, weil er ihn als Nachfolger fürchtete.

2014 bewarb sich der Franzose erstmals für das Fifa-Amt, musste aber aufgrund fehlender Stimmen zurückziehen, bezahlt den Wahlkampf aus eigener Tasche.

Tokyo Sexwale
Nelson Mandelas ehemaliger Wegbegleiter im Kampf gegen Apartheid in Südafrika, 62, ist Politiker, Geschäftsmann und Millionär.

Er war auf Robben Island inhaftiert, wurde 1994 Premierminister der Provinz Gauteng. 2009 bis 2013 war er Minister für Siedlungswesen im Kabinett von Jacob Zuma. AFP(2), Reuters

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2016)

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