Das Aufflackern von Aufständen in den großen Randprovinzen sollte Chinas Führung dazu bringen, ihre Minderheitenpolitik zu überdenken.
China hat ein Minderheitenproblem, sogar ein gewaltiges. In immer kürzeren Abständen wird das offiziell gezeichnete Bild einer „harmonischen Gesellschaft“ Lügen gestraft – durch Bilder, wie wild gewordene Tibeter Geschäfte von Han-Chinesen zerstören (im März 2008), oder jetzt durch Bilder, wie wütende Uiguren chinesische Polizeiautos umwerfen und auf Han-Chinesen einstechen. Dann treten die chinesischen Sicherheitskräfte auf und sorgen mit brachialer Gewalt wieder für Ruhe.
Ruhe halt bis zur nächsten Explosion. Denn mit Repression ist das Grundproblem der chinesischen Minderheitenpolitik nicht dauerhaft zu lösen. Es ist nicht so, dass Peking nichts für seine großen Randprovinzen Tibet und Xinjiang tut, im Gegenteil: Es fließen viele Mittel aus der Zentrale. Aber Peking glaubt, mit einer forcierten Modernisierung das Wohlwollen von Tibetern, Uiguren und anderen Minderheiten im Land gleichsam erkaufen zu können.
Nur, diese Minderheiten ticken kulturell, religiös, gesellschaftlich oft völlig anders und fühlen sich durch die von Peking geförderten Einwanderungswellen von Han-Chinesen zunehmend entfremdet und entmündigt. Deshalb wenden sie sich auch vermehrt radikalen Heilsverkündern zu. Peking muss deshalb endlich seine Minderheitenpolitik einer Revision unterziehen. Sonst wird das Flackern in Tibet und Xinjiang zum Dauerfeuer.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2009)