Kapsch: "An Grundfreiheiten nicht rütteln"

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IV-Präsident Georg Kapsch stemmt sich gegen Arbeitsverbote für Billigkräfte aus dem EU-Ausland. Die Debatte sei ein Manöver zur Ablenkung von den wahren Problemen.

Wien. Die Fronten in der Debatte um Ursachen und Heilung der steigenden Arbeitslosigkeit in Österreich verhärten sich. Auf der einen Seite stehen weite Teile der SPÖ, die vor allem die Billigkonkurrenz aus dem Osten für die „importierte“ Arbeitslosigkeit verantwortlich machen. Dabei an vorderster Front: Burgenlands Landeshauptmann, Hans Niessl (SPÖ), der am Sonntag abermals seine Forderung bekräftigte, EU-Mitbürgern aus den Nachbarländern die Arbeit in Österreich vorübergehend zu verbieten.

Auf der anderen Seite fand sich am Sonntag Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), ein. Er stemmte sich in der ORF-„Pressestunde“ vehement gegen den Plan, die Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus dem EU-Ausland zu begrenzen. „Wir dürfen an dieser Grundfreiheit der EU nicht rütteln“, sagte er. „Sonst rütteln wir auch an der Frage des Euro.“ Eine derartige Notfallverordnung, wie sie Niessl und der langjährige Präsident der Arbeiterkammer, Werner Muhm (SPÖ), zuletzt forderten, wäre „demokratiepolitisch gefährlich und in Wahrheit nichts anderes als ein Manöver zur Ablenkung von den wahren Problemen, die wir haben“, so Georg Kapsch.

Ausländer verdrängen Ausländer

Diese wahren Probleme sieht der Industrielle im extrem unterentwickelten Wachstum der Volkswirtschaft. Im vergangenen Jahr wuchs die heimische Wirtschaft nur marginal und reihte sich unter den Schlusslichtern der Euromitglieder ein.

Arbeitsmarktexperten räumen zwar ein, dass die steigende Arbeitslosigkeit auch mit der Zuwanderung von Osteuropäern zusammenhängt. Betroffen sind jedoch meist jene Branchen, in denen schon bisher wenig Österreicher tätig waren – wie etwa die Pflege oder das Baugewerbe. Dort verdrängen die Ungarn und Slowaken eben Mitarbeiter aus Ex-Jugoslawien. Bei „normaler“ Wirtschaftslage würden auch die 130.000 Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland, die von Jänner bis November 2015 in Österreich tätig waren, keinem Österreicher einen Job wegnehmen, sagte Kapsch. Der größte Teil davon kam mit knapp 80.000 übrigens aus der Slowakei und aus Ungarn. Aus Deutschland kamen fast 40.000 Gastarbeiter nach Österreich.

Auch den Vorstoß von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ), wonach Unternehmen aus dem EU-Ausland ihre Arbeitskräfte künftig nur noch einen Monat zur Arbeit nach Österreich schicken dürfen, hält der Präsident der Industriellenvereinigung für Unsinn. „Das wäre nicht sinnvoll, weil ich wieder in eine der vier Grundfreiheiten eingreife – in die Dienstleistungsfreiheit“, so Kapsch. Österreich solle sich lieber überlegen, wie es die richtigen Arbeitskräfte anlocken und Braindrain verhindern könne.

„Schwarze Schafe wird es immer geben“

Die aktuelle politische Debatte über die Auswirkungen der billigen Arbeitskräfte aus Osteuropa ist derzeit sehr unpräzise und schwammig. Manche Forderungen vonseiten der Sozialdemokratie sind längst gesetzlich geregelt. So geht etwa die Forderung, dass Slowaken und Ungarn, die in Österreich arbeiten, ebenso viel verdienen müssen wie ihre einheimischen Kollegen, ins Leere. Schon heute gelten für alle Arbeitnehmer, die nach Österreich entsandt werden oder hier arbeiten, dieselben Kollektivverträge und Mindestlöhne wie für Inländer.

Wie wenig Niederschlag diese Gesetze in der Praxis mitunter finden, zeigten jedoch Schwerpunktkontrollen der Finanzpolizei an der Kärntner Grenze vor wenigen Tagen. Die Arbeitskräfte würden in Österreich zwar nach Kollektivvertrag bezahlt, hinter der Grenze werde ihnen aber ein Großteil des Geldes wieder abgenommen, sagten Arbeiter im Gespräch mit den Beamten. Im Extremfall bliebe ihnen ein Stundenlohn von 70 Cent. Diese eindeutigen Straftaten mit der allgemeinen Forderung nach dem Ende der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu verknüpfen sei jedoch unzulässig, betonte Kapsch. „Schwarze Schafe wird es immer und überall geben.“ (ag./auer)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2016)

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