Xinjiang: Der Hass entlädt sich auf der Straße

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Die Polizei geht mit Tränengas gegen Han-Chinesen und Uiguren vor, eine Polizeikette wurde durchbrochen. Mehr als 1400 Menschen wurden festgenommen. Exil-Uiguren verlangen eine internationale Untersuchung.

Zwei Tage nach Beginn der schweren Ausschreitungen in der westchinesischen Provinz Xinjiang geht die Gewalt weiter: Die Polizei ging am Dienstag in Urumqui mit Tränengas gegen Han-Chinesen und Uiguren vor, die einander mit Steinen bewarfen. Die zum Teil mit Messern und Eisenstangen bewaffneten Chinesen griffen Geschäfte von Uiguren an und durchbrachen eine Polizeikette, die die verfeindeten Volksgruppen auseinanderhalten sollte. 

Wie die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtet, würden sich in der Hauptstadt der Provinz Xinjiang chaotische Szenen abspielen. Xinhua berichtete am Dienstag, "viele Menschen haben sich versammelt und laufen in Panik durch die Straßen".

Uigurische Demonstranten hätten Steine auf Reporter der staatlichen Nachrichtenagentur geworfen. Die Agentur zitiert auch einen Bewohner, bei dem es sich um einen Han-Chinesen zu handeln schien, mit den Worten, er und andere seien bereit "zurückzuschlagen", falls sie von Demonstranten angegriffen würden.

Zuvor hatte sich eine Gruppe von 200 zumeist weiblichen uigurischen Demonstranten in Urumqi ein Handgemenge mit Sicherheitskräften geliefert. Die Frauen blockierten eine Hauptstraße und forderten die Freilassung ihrer Männer und Kinder. Nach etwa eineinhalb Stunden löste sich die Demonstration auf. Sie ereignete sich, als sich Journalisten ein Bild über das Ausmaß der Zerstörungen von den Zusammenstößen am Sonntag machen wollten.

Ausgehverbot verhängt

Die chinesischen Behörden haben staatlichen Medienberichten zufolge ein nächtliches Ausgehverbot verhängt. Damit solle "weiteres Chaos vermieden" werden, zitierte Xinhua den Chef der Kommunistischen Partei in Xinjiang, Wang Lequan. Die Bewohner der gesamten Provinz müssen demnach von 21 Uhr abends Ortszeit bis zum nächsten Morgen um 8 Uhr in ihren Häusern bleiben.

156 Tote am Sonntag

Die Uiguren hatten sich am Sonntag in Urumqi Straßenschlachten mit der Polizei geliefert, Steine auf Sicherheitskräfte geworfen und Autos in Brand gesetzt. bei den Ausschreitungen kamen nach offiziellen Angaben 156 Menschen ums Leben, mehr als 1400 wurden festgenommen.

Laut Xinhua waren am Sonntag und Montag mehrere zehntausend Polizisten und Soldaten in der Provinz im Einsatz, um neue Unruhen zu verhindern. Am Montag hatte die Polizei Proteste in Kashgar beendet. Sie trieb dort mehr als 200 Uiguren auseinander, die sich in einer Moschee versammelt hatten.

In Urumqi gingen am Dienstag noch immer Hunderte Sicherheitskräfte Streife. Sie waren mit Schutzschilden, Schlagstöcken und Gewehren ausgestattet. Das Mobilfunknetz wurde lahmgelegt und die Nachrichten-Website Twitter blockiert. Internetverbindungen funktionierten nicht oder nur langsam.

Hintergrund

Die Uiguren sind eine muslimische Minderheit in Nordwestchina und fühlen sich von der Zentralregierung in Peking unterdrückt. In den vergangenen Jahren gab es vereinzelt Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und extremistischen Uiguren. Vorläufiger Höhepunkt waren im vergangenen Jahr Anschläge mutmaßlicher uigurischer Separatisten während der Olympischen Spiele.

Die Vorfälle vom Sonntag und Montag sind der folgenschwerste Zwischenfall in der zentralasiatischen Provinz Xinjiang seit Jahrzehnten. Die Uiguren sind dort infolge der Ansiedlungspolitik Pekings in der Minderheit; ethnische Han-Chinesen stellen die Mehrheit der rund 2,3 Millionen Einwohner.

Uiguren-Führerin fordert Untersuchung

Die im Exil lebende Uiguren-Führerin Rebiya Kadeer hat eine internationale Untersuchung der blutigen Unruhen in der chinesischen Region Xinjiang gefordert. "Wir hoffen, dass die UNO, die USA und die EU Ermittler schicken um zu untersuchen, was wirklich in Xinjiang passiert ist", sagte Kadeer am Montag (Ortszeit) in Washington. Außerdem hoffe sie auf stärkere Kritik der US-Regierung an Peking.

Die chinesische Regierung wirft der Chefin des Uigurischen Weltkongresses vor, hinter den Ausschreitungen zu stecken, bei denen nach amtlichen Angaben am Sonntag mehr als 150 Menschen ums Leben gekommen sind. Kadeer weist dies zurück.

(Ag.)

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