Leitl: „Wir sind satt und selbstzufrieden“

(C) APA/ WKO/ DiePresse
  • Drucken

WKO-Präsident Leitl hält die Außenhandelsbilanz 2015 für „herzeigbar“. Dennoch müsse sich Österreich besser positionieren. Vor allem in Übersee sieht er dafür Chancen.

Wien. „Wir sind – wie Sie wissen – von der WTO und UNO als beste Wirtschaftskammer beziehungsweise Außenwirtschaftsorganisation der Welt ausgezeichnet“, mit diesen Worten streut sich Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, zu Beginn der Pressekonferenz am Montag gleich selbst Rosen, um sich dann dem eigentlichen Thema der Veranstaltung zu widmen: dem österreichischen Außenhandel. Die Exportwirtschaft Österreichs sei ein erfreuliches Thema, wie er betont, das Land habe im Vorjahr eine „herzeigbare“ Außenhandelsbilanz geliefert. Erstmals sei 2015 die 130-Milliarden-Euro-Grenze bei den österreichischen Warenexporten überschritten worden.

Doch damit dürfe sich niemand zufriedengeben. Österreich müsse sich in Zukunft noch besser positionieren, denn man stünde „in einem Wettlauf um die besten Positionen in den aufstrebenden Ländern“, sagt der WKO-Präsident. Und der sei „alles andere als eine einfache Übung“. Denn wir leben in einem turbulenten Umfeld, warnt er. Die Wirtschaftsmärkte der Schwellenländer seien sehr volatil, die sinkenden Öl- und Rohstoffpreise führten in vielen Staaten zu Rezessionen, und auch eine Finanzkrise, wie es sie in den Jahren 2008/09 gegeben hat, hält er nicht für ausgeschlossen. Österreich werde sich dennoch – wie auch in den vergangenen Jahren – erfolgreich schlagen, sofern das Land nur weiterhin auf Qualität und Innovation setze.

20 Prozent außerhalb Europas

Doch zu den Fakten: Wichtigster Exportpartner ist und bleibt Deutschland. Überhaupt bleiben 80 Prozent der heimischen Ausfuhren in Europa.

Bei den Zuwächsen liegen jedoch außereuropäische Staaten vorn: Die Ausfuhren nach Mexiko stiegen im vergangenen Jahr um 28, in die USA um 17, die Türkei um 16, die Vereinigten Arabischen Emirate um 16 und nach Indien um 15 Prozent. Somit gehen 20 Prozent in Länder außerhalb Europas. Hier gebe es noch viel Raum nach oben, wie die Schweiz vorzeige, sagt Leitl. Dort landeten gleich 30 Prozent der ausgeführten Waren und Dienstleistungen in anderen Kontinenten.

Leitl führt das unter anderem auf die enge Kooperation der ETH Zürich, der technisch-naturwissenschaftlichen universitären Hochschule, mit Unternehmen auf der ganzen Welt zurück. „Warum ist die Schweiz der abonnierte Innovationsweltmeister und nicht wir?“, fragt er. Seine Anregung: Wie Mailand die Welthauptstadt der Mode und Berlin die der Start-ups sei, solle Wien die Metropole der Kreativität werden.

Den Weg dahin würden die Unternehmen selbst finden, wenn sie nur die entsprechenden Rahmenbedingungen vorfänden. Leitl: „An diesen müssen wir rascher als bisher arbeiten. Das haben wir von Asien gelernt, die sind schnell. Wir in Europa sind satt, selbstzufrieden, pessimistisch, oder wir reden uns ein, dass es uns eh noch so geht und wir uns keine Sorgen machen müssen.“

Doch nicht nur in Asien ist man wendig, sondern auch in Osteuropa, wie Walter Koren, Leiter der Außenwirtschaft Austria, aufzeigt: Vor allem die Tschechische Republik befindet sich auf der Überholspur. Sie ist hier nicht nur der wichtigste Wirtschaftspartner Österreichs, sondern sie wird zunehmend zu einem der Konkurrenten: „Tschechien holt sehr stark in der Wettbewerbsfähigkeit auf, ist sehr stark im Export nach Deutschland und dort schon Mitbewerber der österreichischen Industrie“, sagte Koren.

Sorgen macht beiden ein möglicher Brexit. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union wäre nachteilig. Am meisten würde sich aber das Land selbst schaden, sagt Koren. Leitl hingegen stört vor allem eines im Zusammenhang mit dem Brexit: „Niemand, auch nicht Großbritannien, darf eine Vertiefung der Europäischen Union verhindern können“, sagt er. „Eine stärkere europäische Integration ist unumgänglich, wenn wir nicht von der Bildfläche der Weltwirtschaft und -politik verschwinden wollen.“

„Export wichtiger als Koalition“

Übrigens: Christoph Leitl, der sich noch am Samstag in einem „Kurier“-Interview für eine Beendigung der SPÖ/ÖVP-Koalition ausgesprochen hatte, wies gestern jede Frage zu diesem Thema kategorisch zurück. Sein Kommentar: „Heute geht es um die Exportwirtschaft. Die Exporte sind wichtiger für unser Land, auch wichtiger als die Koalition.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

AM KURZ IN INDIEN: GOYAL/KURZ/KOPF/LEITL
International

Leitl in Indien: „Der Elefant überholt den Drachen“

Außenminister Kurz und Wirtschaftskammer-Präsident Leitl sind mit einer Wirtschaftsdelegation nach Indien gereist – auf der Suche nach Geschäftschancen auf Asiens neuem Tophoffnungsmarkt.
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl.
Österreich

Leitl: Schengen-Aus kostet Österreich 1,2 Mrd.

Bei einem Zusammenbruch des Schengenraums, betrügen alleine die Frachterschäden für Österreich zwei Millionen Euro täglich.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.