Hinauf mit dem Pensionsalter und weg mit der Extrawurstbraterei

Mit nur wenig Kosmetik schafft die Regierung mittelfristige Probleme bei der Pensionsfinanzierung nicht aus der Welt. Das wird später schmerzhaft.

Für jene Österreicher, die das Wort Pension schon nicht mehr hören können, gibt es eine schlechte Nachricht. Es wird ihnen auch nach dem Pensionsgipfel am Montag noch öfter zu Ohren kommen, als ihnen lieb ist. Denn derzeit deutet viel darauf hin, dass die Koalition am 29. Februar zwar ein paar Anstrengungen zur besseren Wiedereingliederung potenzieller Invaliditätspensionisten unternimmt. Das Zurückholen der Bezieher von sogenanntem Rehab-Geld ist seit 2014 wahrlich keine Erfolgsgeschichte. Sonst droht die Kapitulation bei Änderungen, die mittelfristig ab 2020 den Milliardenzuschussbedarf aus dem Budget zu den Pensionen dämpfen.

Die SPÖ befindet sich mitten im Wolkenkuckucksheim und tut so, als könnte sie das Wort Pensionsreform nicht einmal buchstabieren. Ja, es stimmt, ohne die 2014 eingezogenen höheren Hürden etwa bei der Hacklerfrühpension würden noch mehr Milliarden für die Pensionen fällig. Ex-Sozialminister Hundstorfer hat sich mit dem Pensionskonto Dank verdient. Beide Koalitionsparteien schrecken aber mit Blick auf den Kalender vor neuen Einschnitten zurück. Sonst könnten ihre beiden Präsidentschaftskandidaten, Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol, ihre Kampagnen für die Hofburg-Wahl einstellen, noch bevor diese richtig begonnen haben. Ziemlich fahrlässig wäre es aber auch, sich auf Prognosen von Ökonomen zu verlassen, dass die Tausenden Flüchtlinge in absehbarer Zeit als fleißige Beitragszahler das Pensionssystem quasi allein sanieren.


Nur keine Wellen, das ist speziell bei Sozialdemokraten und Gewerkschaftern das Motto für den Pensionsgipfel. Der ÖGB hätte am liebsten, dass nach dem 29. Februar bis zur Wahl 2018 Schluss ist mit jeder Pensionsreform. Ja, das ist möglich! Aber nur dann, wenn sich SPÖ und ÖVP jetzt auf einige Änderungen verständigen, die in ihren Reihen auf Widerstand stoßen werden. Die Extrawürste, die bei den Pensionen weiter gebraten werden, müssen rasch vom immer noch heißen Griller genommen werden. Das gilt für die schnellere Zusammenführung der Pensionssysteme der Beamten, die von 2045 um zwei Jahrzehnte vorgezogen werden muss. Gleiches gilt für diverse Extrawürste etwa für Wiens Beamte. Bürgermeister Häupl mag das als Majestätsbeleidigung empfinden. Aber mit dem Geld aller Steuerzahler die Umstellung bis 2042 zu sponsern und sich als Vorzeige-Sozialdemokrat feiern zu lassen ist schwer erträglich. Es war auch nicht Sinn früherer Reformen, dass bei Tausenden Mitarbeitern der Sozialversicherung Einbußen bei der gesetzlichen Pension durch hauseigene Dienstpensionen großteils kompensiert werden. Das kostet über die Jahre Hunderte Millionen Euro und begünstigt Frühpensionierungen. Die Sanierung all dessen ist Grundvoraussetzung, bevor die Regierung wieder bei ASVG-Versicherten Verschlechterungen beschließt. Noch dazu, da jeder etwa ungewöhnlich „junge“ Exbedienstete wie bei der Post kennt, bei der Frühpensionierungen zum Geschäftsmodell gehören.


Ganz ausklammern wird die Regierung ASVG, Bauern und Gewerbe freilich nicht können. Nach wie vor gehen die Österreicher im Schnitt zu früh, mit rund 60 Jahren, in Pension. Ohne Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen, wird es nicht funktionieren. Finanzielle Anreize, länger zu arbeiten, müssen für Betriebe und Mitarbeiter geschaffen werden, ebenso mehr Teilzeitmöglichkeiten für Ältere, sonst werden nur die Schlangen vor den Arbeitsämtern länger. Und ja, das ist in Zeiten der Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau garantiert schwieriger als einst. Sonst bringt auch eine schrittweise Angleichung des gesetzlichen Pensionsalters über 65 Jahre hinaus mittels Koppelung an die steigende Lebenserwartung wenig, wie das in anderen EU-Staaten gehandhabt wird. Dann werden die Sozialausgaben von der Pensions- zur Arbeitslosenversicherung umgeschaufelt.

Es ist wenig hilfreich, wenn die Regierung, speziell die SPÖ, einfach die Augen zudrückt. Je länger zugewartet wird, umso wahrscheinlicher sind später Feuerwehraktionen nötig.

E-Mails an: karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2016)

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