Jihadisten-Prozess: „Er wirbt für den bewaffneten Kampf“

STEIERMARK: PROZESS GEGEN MUTMASSLICHE JIHADISTEN MIRSAD O. UND MUCHARBEK T.
STEIERMARK: PROZESS GEGEN MUTMASSLICHE JIHADISTEN MIRSAD O. UND MUCHARBEK T.(c) APA/ERWIN SCHERIAU
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Zweiter Tag des Grazer Jihadisten-Prozesses gegen den Prediger Mirsad Omerovic: Der Gutachter sieht den Angeklagten als IS-Befürworter. Der Staatsanwalt liefert sich Wortgefechte mit einem Verteidiger.

Graz. Mord, serienweise – begangen von einem Kampftrupp der Terrormiliz IS (Islamischer Staat) Ende 2013, Anfang 2014 in Syrien. Dieser Vorwurf – es handelt sich um die mit Abstand schwersten Anschuldigungen, die in Österreich im Rahmen der IS-Prozesse je erhoben wurden – wird dem in Serbien geborenen und in Wien aufgewachsenen Prediger Mirsad Omerovic (34) und dem Omerovic-Schüler Mucharbek T. (28) von der Staatsanwaltschaft Graz gemacht.

T. war aus Tschetschenien nach Österreich geflüchtet, ehe er sich auf den Weg nach Syrien machte. Omerovic, laut Anklage ein „Popstar“ unter den Predigern, soll durch seine radikalen Vorträge den Anstoß für die Bluttaten gegeben haben (die Anklage sieht ihn als Anstifter). Gefolgsmann T. soll die Morde gemeinsam mit anderen IS-Schergen begangen haben. Beide Männer bekennen sich nicht schuldig.

Am Dienstag, dem zweiten Tag des in Graz unter enormen Sicherheitsvorkehrungen geführten Terrorprozesses, skizziert der deutsche Islamexperte Guido Steinberg die Gedankenwelt des Predigers. Omerovic, ein sechsfacher Vater, der in Wien als islamischer Religionslehrer gearbeitet hat, sehe den bewaffneten Kampf gegen „Ungläubige“ als „individuelle Glaubenspflicht“. Er gehöre einem militanten Flügel der Wahhabiten an. Und zeichne sich durch einen „ausgeprägten Hass auf Schiiten“ aus.

„Islam aus dem siebten Jahrhundert“

In durchaus plakativer Rede, der auch der dreiköpfige Grazer Richtersenat konzentriert lauscht (die Justiz bittet die Medien auch weiterhin, die Namen der Richter und des Staatsanwaltes wegen „besonderer Sicherheitsmaßnahmen“ nicht zu nennen), führt Gerichtsgutachter Steinberg weiter aus: Herr Omerovic befürworte IS-Aktivitäten, die al-Nusra-Front in Syrien (eine salafistische Terrorgruppierung, Anm.) und die al-Qaida. Weiter: „Er wirbt für den bewaffneten Kampf.“ Der Angeklagte teile auch die Vorstellung, dass der Kampf in Zukunft – dann nämlich, wenn die Muslime „stark genug“ seien – „auch gegen die westliche Welt geführt werden solle“. Omerovic sehe sich als Teil einer kleinen Minderheit, die „den wahren Islam“, jenen „aus dem siebten Jahrhundert zur Zeit des Propheten“, vertrete.

Der Angeklagte selbst – er hat im saudiarabischen Medina islamisches Recht studiert – sitzt derweil, streng bewacht von schwarz maskierten Justizwachebeamten, auf einem Holzsessel hinter dem Gutachter. Er behauptet, er habe in seinen Predigten, die er oft in Wien, aber beispielsweise auch in Graz gehalten hat, seine teils sehr jungen Zuhörer nie zum IS nach Syrien geschickt, im Gegenteil: Er habe die Hörer stets davon abgehalten, dem IS zu folgen.

Gespräche zwischen ihm und dem Mitangeklagten, die die beiden im Auto geführt hatten (dieses war im Zuge eines Großen Lauschangriffs „verwanzt“), offenbaren aber, dass der bewaffnete Kampf in Syrien auch als Grundlage für derb-geschmacklose Bemerkungen über versklavte Frauen herhalten musste. Omerovic tut dies nun vor Gericht als „Spaß“ ab. Und versucht dabei seiner sanft-melodischen Predigersprache treu zu bleiben. Auch hatte der frühere Religionslehrer die Angewohnheit, im Auto zu singen. „Schneidet den Ungläubigen den Kopf ab, gib dem Schwert, was es verdient“, war beispielsweise ein Liedtext. Und Mucharbek T.? Er erklärt auch, die abgehörten Auto-Gespräche dürfe man nicht weiter ernst nehmen, Redereien unter Männern eben.

Der beisitzende Richter (dieser ergreift phasenweise öfter das Wort als der Vorsitzende) fasst daraufhin die Verantwortung des Duos, „die Conclusio aus dem Ganzen“, so zusammen: Die Angeklagten würden „falsch verstanden“, die aus aufgezeichneten Predigten abgeleiteten Vorwürfe würden von der Anklage „aus dem Zusammenhang gerissen“ und der Rest der Vorwürfe werde offenbar auch zu unrecht erhoben, da es sich nur um „Spaß“ handle.

„Dort wird nicht Handerl gehalten“

Als T., befragt zu seinem Syrien-Aufenthalt, erklärt, er habe der Bevölkerung nur helfen wollen, kontert der beisitzende Richter: „Dort wird gekämpft und nicht Handerl gehalten und getröstet.“ Auf die Bemerkung des Angeklagten, dass es in Syrien gefährlicher sei, als sich dies das Gericht vorstellen könne und er zum Glück nicht in Kampfhandlungen verwickelt worden sei, fragt der Beisitzer: „Machen Sie sich in die Hose, wenn es am Horizont einmal schießt?“

Indes sorgt auch ein Streit zwischen dem Staatsanwalt und Omerovic-Verteidiger Jürgen Mertens für dezentes Kopfschütteln unter den Zuschauern. Da der Ankläger das abgehörte Zitat von T., „Ich bin heiß aufs Schlachten“ (laut T. war das keinesfalls ernst gemeint), immer wieder vorbringt – und dann auch noch der Beisitzer belastende Stellen aus einem Protokoll vorliest, meint Mertens zum Gericht: „Sie nehmen die Beweiswürdigung vorweg.“ Darauf der Staatsanwalt: „Sie können ja die Verteidigung niederlegen.“ Empört darüber kommt es von Mertens: „Sie benutzen den Gerichtssaal als persönliches Wohnzimmer.“ Nach ausgedehntem Hickhack hat letztlich noch der Beisitzer eine Bemerkung für den Angeklagten T. parat: „Sie halten mich für einen Vollidioten.“ Der Prozess wird heute, Mittwoch, fortgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2016)

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