Juristen teils an die Fachhochschule

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Studium. Die Zahl der Fachhochschulstudenten hat sich seit 2005 verdoppelt. Geht es nach dem Wissenschaftsminister, sollen es noch mehr werden. Unis üben Kritik, Experten begrüßen das.

Wien. Es gibt immer mehr Studenten und immer mehr Abschlüsse an den Fachhochschulen (FH). Die Zahl der Studierenden hat sich in den vergangenen zehn Jahren von 23.400 fast verdoppelt, die Anzahl der Abschlüsse hat sich gar verdreifacht: Im vergangenen Studienjahr haben laut Statistik Austria 13.100 Personen ihr Fachhochschulstudium abgeschlossen. Ganz vorn: Wirtschaftsstudien (siehe Grafik).

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Geht es nach Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), könnten es bald noch mehr werden. Sein Plan, manche Fächer an die Fachhochschulen zu verlagern, sorgte vergangene Woche für Aufregung. Vor allem wirtschafts- und unternehmensnahe Studien sollten demnach verstärkt von Fachhochschulen angeboten werden. Auch über Jus müsse man diskutieren.

Was die Unis mit teils heftiger Ablehnung quittierten, sehen Experten nicht ganz so dramatisch – sogar, wenn sie selbst aus dem Uni-Bereich kommen. „Ich begrüße es, dass die FH einen höheren Anteil von Studenten haben sollen“, sagt Ex-Uni-Wien-Rektor Georg Winckler. In den Niederlanden, Bayern oder der Schweiz sei ein Drittel der Studenten an FH inskribiert. „Nachdem wir in vielerlei Hinsicht ähnliche Hochschulsysteme und Arbeitsmärkte haben, wäre das wohl auch für Österreich sinnvoll.“

Vorstellbar sei, dass manche Fächer sowohl an Unis als auch an Fachhochschulen angeboten werden. Weder die Wirtschaftswissenschaften noch die Rechtswissenschaften sollten an die FH abgetreten werden, aber manches sei dort gut aufgehoben. Konkret: Die Ausbildung von Juristen für Tätigkeiten in der Wirtschaft könnte an Fachhochschulen erfolgen. Für den Richter- oder Anwaltsberuf brauche es dagegen früh im Studium eine rechtswissenschaftliche Grundlage.

„Die juristischen Kenntnisse für die Wirtschaft sind ganz andere als die, die ein Richter benötigt“, sagt der Ex-Rektor. „Eine Differenzierung wäre sinnvoll.“ Ähnlich sei das beim Übersetzen. „Wenn es auch um kulturwissenschaftliche Grundlagen geht, sollte das an Unis stattfinden. Eine reine Übersetzungs- und Dolmetschausbildung können die FH sicher besser anbieten.“

Eine Gefahr sieht Winckler aber, wenn Fächer zunehmend an den FH angeboten werden: „Jetzt kostet ein Studienplatz an einer Universität deutlich weniger als an einer FH. Was bei einer Umschichtung passieren könnte ist, dass aus zwei Studienplätzen an der Uni ein Platz an der Fachhochschule wird.“ Ein solcher Prozess müsse unbedingt auch mit einer Studienplatzfinanzierung an den Unis einhergehen.

„FH sind höchst erfolgreich“

„Ein System ist nicht automatisch gut, nur weil mehr als ein Drittel der Studenten an einer FH studiert“, so Hochschulforscher David Campbell von der Universität Klagenfurt. Grundsätzlich sei es positiv, über eine Neuverteilung der Fächer zu diskutieren. Die Entscheidung, welche Fächer verlagert werden sollen, dürfe aber nicht auf den falschen Faktoren basieren.

„Man darf die Entscheidung nicht vom Input abhängigig machen. Sondern muss sie an Outputkriterien orientieren.“ Frei übersetzt soll das heißen, dass die Frage, ob Uni oder FH ein Studium anbieten soll, nicht an Kostenüberlegungen geknüpft werden soll. Vielmehr müssten andere Indikatoren wie Arbeitsmarktfähigkeit und Anwendungsnähe, ausschlaggebend sein.

Hier sieht sich beispielsweise die Wirtschaftsuni klar im Vorteil gegenüber den Fachhochschulen: „Würde sich die WU aus der Bachelor-Ausbildung zurückziehen, würde die österreichische Wirtschaft großen Schaden nehmen“, warnte Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger.

Die Wirtschaft selbst dürfte das nicht ganz so sehen. Schon jetzt würden FH „höchst erfolgreich Wirtschaftswissenschafter ausbilden, die auch seitens der Wirtschaft sehr gut nachgefragt werden“, sagt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. So sei eine vermehrte Auslagerung von betriebswirtschaftlichen Fächern an die FH „denkbar“. Die FH könnte ein „praxisnahes Grundstudium“ anbieten, die Unis könnten sich auf Spezialisierungen im Master-Bereich sowie auf das Doktorat konzentrieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2016)

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