Per Eilantrag konnten die Bewohner die Räumung des Flüchtlingslagers am Ärmelkanal vorübergehend stoppen. Doch die Behörden wollen den chaotischen Zuständen einen Riegel vorschieben.
Der Entscheid des Verwaltungsgerichts in Lille verschaffte ihnen ein paar Tage mehr Zeit, den Menschen im südlichen teil des Flüchtlingslagers von Calais. "Die Entscheidung wird heute nicht getroffen werden", sagte Richter Valerie Quemener. Erst in den kommenden Tagen soll ein Urteil über den Eilantrag gegen die Räumung der Tausenden Baracken getroffen werden, in denen sich Flüchtlinge auf ihre Überfahrt nach Großbritannien vorbereiten.
Damit wird ein von den Behörden gestelltes Ultimatum unwirksam: Die Präfektur hatte die Bewohner des südlichen Lagerabschnitts aufgefordert, den Bereich bis Dienstagabend zu räumen. Flüchtlinge und Hilfsorganisationen im "Dschungel" legten einen Eilantrag ein: Sie wollen die geplante Räumung per einstweiliger Verfügung stoppen.
Denn es lässt sich nicht abschätzen, welche verheerenden Folgen die Räumung bei den eisigen Temperaturen hätte. Auch ist unklar, wie viele Menschen in dem Teilabschnitt des "Dschungel" überhaupt betroffen wären. Nach Angaben der Präfektur des Departements Pas-de-Calais leben dort derzeit bis zu tausend Flüchtlinge. Hilfsorganisationen sprechen dagegen von fast 3.500 Bewohnern im südlichen Lagerabschnitt, darunter 455 Minderjährige, die meisten von ihnen sind ohne Begleitung.
Unmut in Bevölkerung von Calais
Mit ihrem Vorstoß wollen die Behörden das Lager im Osten der Hafenstadt Calais und die tausenden dort lebenden Flüchtlinge aus Krisenstaaten wie Syrien, Afghanistan, Eritrea oder dem Sudan unter Kontrolle bringen. Insgesamt warten dort derzeit rund 5000 Menschen auf eine Chance, über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu gelangen.
Schon lange steht das Lager wegen der dort herrschenden Zustände in Kritik - die Menschen leben in Zelten oder selbst errichteten Hütten, es fehlt an sanitären Anlagen. Zugleich wachsen die Spannungen zwischen der Bevölkerung von Calais und den Flüchtlingen. Den Behörden zufolge bewarfen Flüchtlinge zuletzt "täglich" vorbeifahrende Autos oder Polizisten mit Steinen. Fluchtversuche behindern zudem immer wieder Fähren und Eurotunnel-Züge.
Belgien hat Angst vor Ansturm
Geplant ist, die Flüchtlinge des zuerst zu räumenden südlichen Abschnitts entweder in Wohncontainern im Norden des Lagers oder in Aufnahmezentren in anderen Landesteilen untergebracht werden. In den Containern ist allerdings nur noch Platz für 300 Flüchtlinge. Viele haben die Sorge, dass dort Fingerabdrücke genommen werden - was einen Asylantrag in einem anderen Land unmöglich machen würde. Zudem wollen viele Flüchtlinge nicht in Unterkünfte in anderen Regionen: Sie haben ihr Vorhaben nicht aufgegeben nach Großbritannien zu gelangen.
Aus Angst vor einem Ansturm auf Belgien hat die Regierung in Brüssel vorübergehend wieder Grenzkontrollen zu Frankreich eingeführt. Die belgische Regierung wolle dadurch verhindern, dass sich Menschen wegen der teilweise Räumung eines Flüchtlingslagers im nordfranzösischen Calais nun in Belgien sammeln, sagte Innenminister Jan Jambon am Dienstag in Brüssel. "Wir wollen um jeden Preis verhindern, dass Zeltlager in Belgien aufgebaut werden."
(APA/AFP/red. )