Antiterrorkampf: Westen rüstet für Libyen-Einsatz

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Libyen droht zur neuen IS-Hochburg zu werden. Vorbereitungen für einen von den USA geführten Einsatz laufen auf Hochtouren, Paris hat bereits 180 Mann von Spezialeinheiten ins Land geschickt.

Der Westen scheint entschlossen, den Islamischen Staat (IS) in Libyen noch rechtzeitig zu bekämpfen, bevor er Wurzeln wie in Syrien und im Irak schlagen kann. Die Vorbereitungen für einen groß angelegten Angriff laufen offenbar auf Hochtouren: Am Mittwoch wurde bekannt, dass französische Einheiten nach Libyen verlegt worden sind. Die Spezialtruppe von etwa 180 Mann soll auf dem Militärstützpunkt von Benina nahe Bengasi stationiert worden sein. Dort liegt das Hauptquartier der Truppen von General Khalifa Haftar, der für die international anerkannte libysche Regierung gegen islamistische Gruppen kämpft. Britische und US-Spezialeinheiten sind schon länger in Libyen im Kampf gegen den IS aktiv.

Der Westen bereitet sich offenbar auf einen größer angelegten Angriff vor: Rom hat dem Pentagon Anfang dieser Woche erlaubt, bewaffnete Drohnen auf der sizilianischen Luftbasis Sigonella zu stationieren. Laut der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ sollen von dort aus bereits in der kommenden Woche erste Aufklärungsflüge Richtung Libyen starten. Die Drohnen sollen unter anderem zum Schutz von Bodentruppen eingesetzt werden, die gegen den IS kämpfen. Für größere Operationen in Libyen wollen westliche Länder eigentlich noch auf die Bildung einer nationalen Einheitsregierung warten: Bisher scheiterten aber alle Versuche der UNO, die zwei rivalisierenden Regierungen im Land – die international anerkannte in Tobruk sowie die nicht anerkannte Regierung in Tripolis – zur Zusammenarbeit zu überreden. Jihadisten nützen das seit Jahren dauernde Machtvakuum, um ihr Einflussgebiet in der Region zu vergrößern.

Grünes Licht für Antiterrorhilfe

Die von den USA angeführte Koalition für einen Einsatz im Libyen steht bereits: Italien wäre bereit, insgesamt 5000 Soldaten in das nordafrikanische Land zu schicken. Großbritannien will ebenfalls mit von der Partie sein, und Frankreich würde seine Truppenzahl erhöhen. Die USA sind offenbar schon im Einsatz. Nicht nur Spezialeinheiten befinden sich laut US-Medien schon länger vor Ort, die international anerkannte Regierung in Tobruk hat auch Washington offenbar schon grünes Licht für “Unterstützung im Antiterrorkampf“ gegeben. Das Pentagon behauptet, dass ein US-Bombenangriff auf IS-Trainingscamps nahe der Stadt Sabrata am Freitag von der Regierung in Tobruk genehmigt war: Dutzende IS-Kämpfer sollen bei der US-Attacke getötet worden sein, unter den Opfern waren aber offenbar auch zwei serbische Geiseln. Heftige Kämpfe um die Kontrolle der westlibyschen Stadt lieferten einander gestern IS-Einheiten und libysche Regierungstruppen.

Sirte hingegen, die Heimatstadt von Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi, wird derzeit von 3000 IS-Kämpfern kontrolliert. Die Jihadisten versuchen dort, ein Kalifat zu errichten. Öffentliche Hinrichtungen gehören zum Alltag: Erst vor wenigen Tagen sollen drei Männer gesteinigt und einer erschossen worden sein. Die Anklage lautete auf Apostasie und Unterstützung einer Diktatur. Für die Exekution hatte man Steine auf einen Haufen bereitgelegt. Ein öffentliches Leben wie früher findet nicht mehr statt. Die meisten der 180.000 verbliebenen Einwohner bleiben zu Hause. Sie wollen den Kontakt mit IS-Mitgliedern vermeiden.

In Derna hingegen, im Osten des Landes, hat die al-Qaida wieder das Szepter fest in der Hand. Die Jihadisten konnten den IS stoppen, auch Angriffe auf Erdölanlagen bei Ras Lanuf wurden abgewehrt. Jedoch wurden im Lauf der Gefechte Lagertanks von Granaten getroffen und gerieten in Brand.

General Haftar erobert Bengasi zurück

Einen strategisch bedeutenden Sieg gegen islamische Extremisten feierten die Truppen von General Haftar am Mittwoch: Die libyschen Soldaten brachten nach eigenen Angaben die Stadt Bengasi vollständig unter ihre Kontrolle. Haftar rief in einem Video dazu auf, den Erfolg zu feiern. Einzelne noch verbliebene Islamisten würden nun „nach und nach ausgeschaltet“. Tausende Menschen gingen gestern in Bengasi auf die Straßen und feierten mit libyschen Flaggen den Sieg der Armee.

Zwei Jahre lang hatten Haftars Truppen um die Kontrolle der wichtigen Hafenmetropole am Mittelmeer gekämpft: Nach anfänglichen Erfolgen im Mai 2014 trat Haftars Operation „Würde“ jedoch auf der Stelle. Es wurde weitergekämpft, aber ohne einen entscheidenden Durchbruch. Anfangs kämpften die Truppen Haftars nur gegen Ansar al-Sharia, eine al-Qaida nahestehende Gruppe. Ende 2014 kam dann der IS hinzu. Die Terrormiliz hatte aus Syrien und dem Irak Führungskräfte nach Libyen entsandt, um dort eine Filiale zu gründen. Ihren Nachschub erhielten die Extremisten über den Hafen von Bengasi.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2016)

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