Willkommen, Grüne, in der Realität

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Bisher galt: Rede über die Flüchtlinge nur, wenn du gefragt wirst. Doch nun mehren sich die Stimmen, die einen Kurswechsel in der Asylpolitik fordern.

Seit die Grünen ihrem Ex-Bundesrat Efgani Dönmez, einer Art Peter Pilz mit Migrationshintergund, die Bühne entzogen haben, sind sozial unerwünschte Antworten auf Zuwanderungsfragen in der Partei eher selten geworden. Seit einigen Tagen hört man sie aber wieder. Und zum Teil kommen sie von unerwarteter Seite.

Zugegeben: Peter Pilz, einer der größten Selbstvermarkter der Zweiten Republik, fällt nicht in diese Kategorie, obwohl sein jüngster Befund am Dienstag sogar profunde Kenner des Pilz-Alarmismus überrascht hat. Der grüne Sicherheitssprecher diagnostizierte nämlich „ein gewaltiges Integrationsproblem“ in Österreich und schlug härtere Sanktionen für Flüchtlinge vor, die sich nicht integrieren wollen. Auch im Sinn seiner Partei, die nicht alle Protestwähler der FPÖ überlassen dürfe.

Als die Parteispitze gerade dabei war, im üblichen Pilz-Reflex die Augen zu verdrehen, erreichte sie die nächste schlechte Nachricht, diesmal aus Innsbruck. Der dort wahlkämpfende und neuerdings parteiunabhängige Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen hatte Verständnis für die Kontrollen an der europäischen Binnengrenze, also auch an der österreichischen, gezeigt. Nach den Erfahrungen von 2015 wäre das nachvollziehbar, meinte der ehemalige Grünen-Chef. Man dürfe in der Flüchtlingspolitik nicht blauäugig sein.

So ähnlich sehen das die neue Vize-Bundessprecherin aus Tirol, Ingrid Felipe, und die Vorarlberger Grünen, die – als Juniorpartner in der Landesregierung – immerhin eine Integrationsverpflichtung mitbeschlossen haben. Wer die Religion über das Gesetz stellt und nicht Deutsch lernen will, muss mit einer Kürzung der Mindestsicherung rechnen. Oder, wie es im Vorarlberger Beamtendeutsch heißt: „mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“.

Es sieht also ganz danach aus, als wären nun auch die Grünen, die sich wie keine andere Partei dem Willkommensansatz verschrieben und die Menschenrechtskonvention zur Conditio sine qua non erklärt haben, auf dem besten Weg in die Realität. Dorthin also, wo die EU gerade versagt. Wo Österreich bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme überfordert ist. Wo es Verunsicherung und Integrationsprobleme gibt.

Die SPÖ hat diese Entwicklungsreise bereits hinter sich. Als klar war, dass sich die Stimmung im Wahlvolk und in der „Krone“ gedreht hat, entschied sich Werner Faymann dann doch gegen offene Grenzen und für ein „Türl mit Seitenteilen“. In Wien haben einige Freundinnen und Freunde zwar keine rechte Freude mit der Verburgenländerung der SPÖ, aber immerhin hat der Kanzler eine Entscheidung getroffen. Und manche meinen, allein das wäre schon ein Fortschritt.

Die Führung der Grünen tut sich da schwerer, weil sie – auch im Hinblick auf die Bundespräsidentenwahl – einen größeren Spagat schaffen muss als die SPÖ, die einen Großteil ihrer Kernwähler hinter sich weiß. Es ist beinahe ein Dilemma: Für einen Wahlsieg wird Van der Bellen Stimmen aus anderen politischen Lagern brauchen. Nur steht man dort den Flüchtlingen eher skeptisch gegenüber. Eine Verschärfung ihrer Asylpolitik können sich die Grünen wiederum bei ihren Stammwählern nicht leisten.


Deshalb haben sich Eva Glawischnig und ihr Führungsstab für einen Mittelweg entschieden: Man spricht nur noch über Flüchtlinge, wenn man danach gefragt wird. Und dann verschiebt man das Problem einfach auf die europäische Ebene und schwindelt sich so um eine klare Position herum. Dieses kalkulierte Schweigen führt allerdings dazu, dass die Partei in alte Verhaltensmuster zurückfällt. Die Grünen erwecken zunehmend den Eindruck, als wüssten sie selbst nicht mehr, in welche Richtung sie in diesen komplexen Fragen der Asylpolitik gehen sollen. Wien sagt dieses, Vorarlberg macht jenes, und Peter Pilz nützt den Raum dazwischen für seine Ideen.

Man kann das auch positiv sehen: Wie in der Gesellschaft gibt es auch bei den Grünen (fast) die ganz Bandbreite, nicht nur schwarz oder weiß, Willkommenskultur oder Grenzzaun, sondern etliche Grautöne dazwischen. Aber auf irgendetwas wird man sich einigen müssen, wenn man demnächst den Bundespräsidenten und dereinst vielleicht die Vizekanzlerin stellen will.

E-Mails an: thomas.prior@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2016)

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