Sephardim in Wien: Die unbekannten Juden

Bucharer, Georgier und Kaukasier bilden die Gruppe der orientalischen Juden.

Unsere Vorfahren sind aus Persien gekommen“, sagt ein in Schwarz gekleideter Rabbiner mit großem Hut. Er ist Sepharde, wie er betont. Sepharde? Im jüdischen Volk unterscheidet man die ethnischen Hauptgruppen der mittel-osteuropäischen Aschkenasim und der aus Spanien und Portugal abstammenden Sephardim.

Ursprünglich sprachen die Aschkenasim Jiddisch (eine aus dem Mittelhochdeutschen hervorgehenden Sprache mit hebräischen und slawischen Elementen) und die Sephardim Ladino – ein jüdisches Spanisch.

Die sephardischen Juden, die heute in Wien leben, sprechen kein Ladino – und stammen meist auch gar nicht von der Iberischen Halbinsel. „Die Sephardim sind auch orientalische Juden“, erklärt der Oberrabbiner der bucharischen Juden, Mosche Israelov, „unsere Gebetsordnung und Bräuche sind sephardisch.“

Die meisten Bucharen sind Anfang der Siebzigerjahre aus Tadschikistan und Usbekistan nach Wien gekommen. Auf ihrer Flucht vor dem Kommunismus sind sie über Österreich nach Israel ausgewandert, wo viele ihre Pläne nicht verwirklichen konnten und deshalb wieder nach Wien zurückkehrten – in die Sowjetunion durften sie nicht mehr zurück. Heute gibt es laut Israelov 500 jüdisch-bucharische Familien in Wien mit rund 3000 Mitgliedern.

Ähnliche Bräuche

1997 wurde durch Initiative des bucharischen Elternvereins der Jugendklub „Jad Bejad“ (Hand in Hand) gegründet, der als Jugendbewegung in der Israelitischen Kultusgemeinde anerkannt ist.

Die georgischen Juden, auch Grusiner genannt, zelebrieren nach sephardischem Ritus, obwohl manche Bräuche, etwa das Essen während des Pessachs (des jüdischen Osterfestes), ähnlich wie bei den Aschkenasim sind. Der Oberrabbiner der georgischen Juden Wiens, Yaakov Hotoveli, beziffert die Zahl mit 150 Familien und etwa 600 Menschen.

Die Sephardische Gemeinde in Wien hat im zweiten Bezirk zwei Synagogen und das Sephardische Zentrum. Im Dachverband sind die bucharischen und die georgischen Juden Österreichs vereint.

Noch eine kleine Gruppe gehört zur sephardischen Gemeinschaft in Wien mit rund 80 Familien. Das sind die kaukasischen Juden: Sie stammen aus dem östlichen Kaukasus – aus Aserbaidschan und Dagestan. Auch diese Minderheit hat ein eigenes Bethaus.

Die Unterschiede zwischen den Wiener Aschkenasim und Sephardim finden wir in der Sprache, Tradition und Kultur sowie in Gebräuchen und Essen, ebenso beim Gebet und Segnen. „So haben wir es von unseren Vätern gelernt“, sagt Israelov. „Wir legen die Tefillin (Gebetsriemen) für das Morgengebet am Arm vom Körper weg nach außen, während das bei den Aschkenasim umgekehrt ist“, erklärt Israelov.

Bohnen statt Reis

Weitere Unterschiede: „Am Schabbes essen wir Reis mit Fleisch – im Unterschied zu den Aschkenasim, die gerne Bohnengerichte mit Fleisch essen.“ In Wien gibt es drei koschere Restaurants, wo man bucharische Speisen essen kann, und die von Israelov als Maschgiach (Aufseher) überprüft werden.

Obwohl es nicht verboten ist, heiraten Sephardim außerhalb ihrer Gemeinschaft eher selten. Und viele Mitglieder der Sephardischen Gemeinde werden gemäß ihrem letzten Willen in Israel begraben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2009)

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