Kalte Progression: Regierung will auf 400 Mio. pro Jahr verzichten

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SONDERSITZUNG DES NATIONALRATES: SCHELLING/MITTERLEHNER/FAYMANNAPA/ROBERT JAEGER
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Die Regierung berät über ein Konzept zur Abschaffung der kalten Progression: Die Steuerstufen sollen nach einer Inflationsrate von fünf Prozent angepasst werden.

Wien. Nach der Debatte um die vielen negativen Seiten der Steuerreform war es für viele Menschen eine nette Überraschung, als sie am Jahresanfang den Gehaltszettel öffneten. Da stand beim Nettobetrag tatsächlich eine größere Zahl als noch in den Monaten davor. Im Schnitt bleiben einem Durchschnittsverdiener (26.000 Euro brutto im Jahr) monatlich etwa 70 Euro mehr.
Nicht mehr lange. Denn die kalte Progression frisst jedes Jahr ein Stück dieser Entlastung weg: Sie entsteht dadurch, dass die Steuertarifstufen nicht an die Inflation angepasst werden. Weil die Gehälter aber steigen, fällt man nach und nach in die höhere Stufe und zahlt mehr Steuer. Spätestens 2018, meinen Experten, sei die Entlastung durch die Steuerreform  „aufgefressen“.

Die Regierung versprach zwar, die kalte Progression abzuschaffen. Viel mehr als ein Versprechen war es bisher aber nicht. Doch jetzt liegt der „Presse“ erstmals ein konkreter Plan der ÖVP vor, wie man die Entlastung für die Steuerzahler permanent machen kann.

Kalte Progression soll 2017 abgeschafft werden

Das „Konzept Bekämpfung kalte Progression“ wurde vom Ressort von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) erarbeitet und Ende vergangenen Jahres dem Koalitionspartner SPÖ überreicht. Derzeit wird parteintern über diesen Vorschlag diskutiert, laufende Gespräche zwischen den Koalitionspartnern gibt es noch nicht. Man hat dafür Zeit: Die kalte Progression soll mit Beginn 2017 abgeschafft werden.

Konkret sieht der Plan vor, dass es eine Anpassung bei den Tarifstufen gibt, wenn die Inflationsentwicklung einen bestimmten Grenzwert überschreitet. Im Papier werden fünf Prozent genannt. Dadurch käme es in der Regel alle drei Jahre zu einer automatischen Anpassung. Vergleichbar ist diese Regelung mit den Bestimmungen in einem Mietvertrag, in dem nach Überschreiten eines bestimmten Indexwertes eine Erhöhung der Miete festgeschrieben ist.
Die fünf Tarifstufen würden dann also entsprechend angepasst werden, um der Geldentwertung Rechnung zu tragen. Würde beispielsweise eine Inflationsrate von sechs Prozent erreicht, würden die Stufen um diese Zahl angehoben. Die 25-Prozent-Steuerstufe, die derzeit für Einkommen zwischen 11.000 und 18.000 Euro gilt, würde dann für Einkommen zwischen 11.660 und 19.080 Euro gelten. Entsprechend ist die Erhöhung bis zur Höchstsufe von 90.000 Euro.

ÖVP will automatische Anpassung, ÖGB nicht

Die Inflationsrate soll von der Statistik Austria berechnet und veröffentlicht werden. Weil eine Anpassung stets mit Anfang eines Jahres gelten würde, müsste die Berechnung in den Halbjahren erfolgen: Die Inflationsrate würde also zwischen 1.7.2015 und 30.6.2016 errechnet werden, im Herbst 2016 könnten dann die Tarifstufen für 2017 verlautbart werden. Nach den bisherigen Planungen soll es ab 2017 zu einer Inflationsanpassung kommen.
Der ÖVP-Plan ist damit fast wortident mit dem Steuerkonzept des ÖGB und der Arbeiterkammer (AK). Darin wird ebenfalls von einem Schwellenwert von fünf Prozent gesprochen. Die ÖVP möchte allerdings als Folge eine automatische Anpassung, im ÖGB/AK-Konzept steht dagegen: „ . . . dann hat die Bundesregierung Maßnahmen zur Beseitigung der bis dahin entstandenen Auswirkungen der kalten Progression zu beschließen“.

Das würde der Regierung mehr Spielraum geben, als eine automatische Entlastung. Bei nicht bindenden Regelungen kann man auch auf die Budgetsituation reagieren und eine Anpassung niedriger ausfallen lassen. Ohne eine Automatik könnte man zudem Steuerentlastungen vor wichtigen Wahlen planen, geben manche Politiker zu denken.
Der Finanzminister müsste bei Abschaffung der kalten Progression auf ein ordentliches Körberlgeld verzichten. Eine Anpassung der Tarifstufen nach einer Inflationsrate von fünf Prozent würde den Staat jährlich etwa 400 Millionen Euro kosten, haben die Experten des Finanzministeriums errechnet.

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