Proteste in Urumqi: Uiguren sprechen von 800 Toten

Kaempfe in Urumqi
Kaempfe in Urumqi(c) EPA (Oliver Weiken)
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Exil-Uiguren berichten von grauenhaften Zuständen in der Hauptstadt der chinesischen Provinz Xinjiang: Abgetrennte Köpfe von Uiguren lägen auf den Straßen, in einer Fabrik sollen 150 Uiguren getötet worden sein.

Übergriffe von Han-Chinesen auf Uiguren haben nach Angaben des Generalsekretärs des Weltkongresses der Uiguren, Dolkun Isa, allein am Dienstag 150 Menschenleben gekostet. Der im Exil in München lebende Dolkun Isa erklärt, das Chaos sei ausgebrochen in Urumqi, der Hauptstadt der Autonomen Region Xinjiang. Aufgebrachte Han-Chinesen würden mit Messern und Knüppeln bewaffnet durch die Straßen ziehen.

Dienstagfrüh seien in einer Traktorenfabrik in Urumqi, in der vor allem Han-Chinesen arbeiten, 150 Uiguren getötet worden. An die 1000 Han-Chinesen sollen in die Universität von Urumqi eingedrungen sein und dort uigurische Studenten geschlagen haben. In der Stadt seien abgeschlagene Köpfe von Uiguren zu sehen, behauptet Isa. "Wenn die Chinesen demonstrieren, bekommen sie Unterstützung von der Polizei. Bei uns ist das ganz anders."

Aktuell sei die Lage laut Isa vor allem in den Städten Urumqi und Kashgar "sehr schlimm". "Wir bekommen nur wenige Informationen. Was wir wissen, ist, dass die Uiguren seit zwei Tagen nicht einkaufen gehen können. Sobald sie aus ihren Häusern kommen, werden sie von Han-Chinesen angegriffen." Telefon und Internet seien unterbrochen, nur hin und wieder erreiche ihn ein Handy-Anruf aus der Region.

"Reaktion auf Grausamkeiten der Chinesen"

Isa sieht die jüngste Eskalation der Gewalt sowohl auf uigurischer als auch auf Han-chinesischer Seite als eine Reaktion auf Grausamkeiten der Chinesen. Am 26. Juni sei es in einer Spielzeugfabrik in Guangdong, wo viele Uiguren arbeiten - die chinesische Regierung fördert den Umzug von Uiguren ins Landesinnere - zu einer Attacke von Han-Chinesen auf Uiguren gekommen, bei der laut Isa 60 Uiguren getötet worden seien. Verhaftungen habe es im Anschluss an das Massaker, sagt Isa, keine gegeben. "Die Polizei hat sich keine Mühe gemacht, die Mörder zu verhaften. Das hat Uiguren auf der ganzen Welt verärgert."

Daraufhin habe der Weltkongress der Uiguren am 5. Juli in Urumqi wie auch vor chinesischen Konsulaten und Botschaften im Ausland zu einer friedlichen Demonstration von Uiguren aufgerufen. Dabei kam es in Urumqi, wo dem Generalsekretär zufolge zunächst 3.000 Uiguren auf dem Platz des Volkes demonstrierten, zu rund 400 Festnahmen. Daraufhin hätten sich 10.000 Uiguren auf einem anderen Platz versammelt. Polizei und Paramilitärs richteten laut Isa unter ihnen ein Blutbad an, bei dem bis zu 800 Uiguren getötet worden seien. "Ich kann die Zahl nicht bestätigen, aber meine Informationen sagen, dass es zwischen 600 und 800 getötete Uiguren sind. In jedem Fall sind es mehrere hundert."

Weiterer Verlauf unklar

Ob sich die Lage weiter zuspitzt, sei schwer zu sagen. "Wir bitten die Vereinten Nationen und das Europäische Parlament, eine unabhängige Delegation nach Ostturkestan zu schicken, um sich ein Bild zu machen", erklärte Isa.

Die nach dem Blutbad an den Demonstranten einsetzende Gewalt von uigurischer Seite streitet er nicht ab. Die Ermordung der Demonstranten habe den Volkszorn hochkochen lassen, und so sei es auch zu Übergriffen von Uiguren gekommen. Doch, so seine Meinung: "Es ist wichtig zu wissen, dass nicht wir angefangen haben." Die chinesische Zentralregierung spricht er nicht von Schuld frei: "Die Zentralregierung weiß alles, was in Ostturkestan passiert. Sie kann ihre Hände nicht in Unschuld waschen."

(Ag.)

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