G8-Gipfel in L'Aquila: Planlosigkeit und Chaos

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Für Italien, Gastgeberland des diesjährigen G8-Treffens, hagelt es Kritik: Der Gipfel sei chaotisch organisiert, es fehle überhaupt an einer Vision. Jetzt könnte Italien aus der G8 ausgeschlossen werden.

Die italienische Organisation des G8-Gipfels in L'Aquila soll von Chaos und Planungslosigkeit nur so strotzen. Anscheinend überlegen die anderen Staaten jetzt sogar, Italien aus der G8 auszuschließen. Das hat am Dienstag die britische Zeitung "The Guardian" berichtet. Ministerpräsident Silvio Berlusconi wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Hilfe aus den USA

"Die Vorbereitungen für den Gipfel waren von Anfang bis zum Schluss chaotisch", wird Richard Gowan, ein Analyst des Centre for International Co-Operation, von der Zeitung zitiert. Die italienische Regierung habe sich laut Gowan deswegen schon Anfang des Jahres an die USA gewandt. US-Präsident Barack Obama sollte aus der Patsche helfen. Washington habe daraufhin versucht, mit der Organisation von Telefonaten und Konferenzgesprächen einzuspringen. Dass ein anderes Land als der Gastgeber die Konferenzgespräche organisiert, sei ein "beispielloser Vorgang", so ein europäischer Diplomat.

"Die Italiener haben nicht den leisesten Schimmer und haben sich deshalb dazu entschlossen, die Agenda extrem klein zu halten, um zu verbergen, dass sie überhaupt keine Agenda haben", sagt Gowan. Um darüber hinwegzutäuschen, habe Berlusconi einfach die Gästeliste verlängert. Zwischen 39 bis 44 Staats- und Regierungsvertreter kommen nach L'Aquila, um dem Gipfel beizuwohnen. "Das ist ein gewaltiger Schwindel."

Italien könnte ausgeschlossen werden

Laut "Guardian" ist hinter den Kulissen der Ärger so groß, dass bereits überlegt wird, Italien aus dem Club der führenden Industrienationen und Russland auszuschließen. Das Land soll nämlich auch säumig sein, wenn es um die Bezahlung der Mitgliedsbeiträge geht. "Die G8 ist ein Club mit Mitgliedschaftsbeiträgen. Italien hat sie nicht bezahlt", so ein Organisator. Gerüchteweise könnte Italien in der G8 durch Spanien ersetzt werden, das ein höheres Prokopfeinkommen besitzt und einen höheren Anteil seines BIPs für Entwicklungshilfe ausgibt.

Im letzten Moment L'Aquila

Zunächst war die sardinische Insel La Maddalena als Schauplatz des Treffens ausgesucht worden. Doch im letzten Moment entschied sich Berlusconi, die G8-Mitglieder in die Gebirgsstadt L'Aquila einzuladen. Das geschah nicht ohne Kalkül: Die Stadt war vor einem Vierteljahr von einem starken Erdbeben mit 300 Toten heimgesucht worden. Die Region erhofft sich von der G8 einen beschleunigten Wiederaufbau.

Hinter der Wahl L'Aquilas als Austragungsort steckt aber noch eine andere Taktik: G8-Gegner könnten durch die Ruinen und Zeltstädte von lautstarken Protesten abgehalten werden. Die italienische Regierung plant so, ähnliche Vorfälle wie in Genua 2001 zu verhindern. Damals kam es beim G8-Treffen zu Ausschreitungen mit hunderten Verletzten und einem Toten.

Durch die spontane Verlegung des Gipfels nach L'Aquila sind allerdings neue Schwierigkeiten aufgetaucht, die die italienische Regierung unterschätzt haben dürfte. Fehlende Zeit für die Planung und die Umstände des Erdbebengebietes stellen die Organisatoren vor unlösbare Herausforderungen.

Vorwürfe seien "Unsinn"

Silvio Berlusconi weist die Vorwürfe scharf zurück und bezeichnet die Enthüllungen des "Guardian" als einen "kolossalen Fehltritt einer kleinen Zeitung". Für Außenminister Franco Frattini sind sie ein "Witz" und "Unsinn". Bei den von den USA fremdorganisierten Koferenzgesprächen sei es außerdem zu einem "Missverständnis" gekommen, ließ das Außenministerium wissen.

Für Silvio Berlusconi droht der G8-Gipfel zu einem politischen Desaster zu werden. Durch die Skandale in seinem Privatleben schon stark unter Druck gesetzt, muss er jetzt unter allen Umständen dafür sorgen, dass der Gipfel zum Erfolg wird. Angesichts der Vorwürfe könnte es schwierig werden.

(Red.)

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