Alabama: "Feuersturm" gegen die erste schwarze Studentin

Autherine Lucy mit Roy Wilkins und  Thurgood Marshall von der NAACP
Autherine Lucy mit Roy Wilkins und Thurgood Marshall von der NAACP (c) US Library Of Congress, 1956 (Wikipedia)
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Am 1. März 1956 beginnt Autherine Lucy als erste Afroamerikanerin das Studium an der Universität von Alabama. Doch ein wütender Mob stellt sich ihr entgegen - und die Hochschule beugte sich diesem.

Lehren war ihr Ziel. Schon als Kind hatte die Afroamerikanerin Autherine Lucy davon geträumt, in einem Klassenzimmer zu stehen und Schüler zu unterrichten. Doch die Umstände ihrer Zeit machten es ihr schwer: Seit 1896 galt in den Südstaaten der USA „separate but equal“, eine strikte Rassentrennung zwischen der weißen Bevölkerung und der afroamerikanischen Minderheit. Es gab öffentliche Toiletten, Zugabteile, Krankenhäuser oder Schulen, die Weißen vorbehalten waren. In Bussen galt eine strikte Rangordnung, ebenfalls zugunsten der Weißen. Dass Spitäler und Bildungseinrichtungen für Afroamerikaner weit weniger staatliche Mittel erhielten und noch weniger Ansehen genossen, war nur logische Konsequenz.

Trotzdem hielt die Tochter eines Farmers aus Alabama an ihrem Traum fest. Sie besuchte eine öffentliche Schule, machte einen Abschluss an der Linden Academy und inskribierte am „schwarzen“ Miles College. 1952 bekam sie dort den Bachelor in Englisch verliehen – und schrieb Bewerbungen. Erhört wurde sie nicht. „Es war generell schwierig, als Lehrer eine Anstellung zu bekommen, doch als junges schwarzes Mädchen war es besonders hart“, wird Lucy Jahre später in einem Interview mit der „Associated Press“ (AP) erzählen. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich daher als „Salatmädchen“ hinter den Tresen einer Cafeteria – bis die Bürgerrechtsbewegung NAACP („Nationale Organisation für die Förderung farbiger Menschen“) auf sie aufmerksam wurde.

Pollie Myers, eine Aktivistin und Freundin von Lucy, hatte der Organisation vorgeschlagen, dass sich die beiden doch an der Universität von Alabama inskribieren könnten. Ihre Hoffnung: Mit einem Diplom von einer traditionell weißen Institution könnte ihr keine Schule des Landes mehr eine Anstellung als Lehrerin verwehren. Die Hoffnung der NAACP: die Rassenschranke zu durchbrechen. Und tatsächlich: Die Frauen wurden aufgenommen – kurzzeitig. Denn nach genauerer Durchsicht der Unterlagen widerrief die Behörde ihre Entscheidung. Ihr war zunächst entgangen, dass die Haut der angehenden Studentinnen nicht weiß war.

Bestärkt von der NAACP entschieden sich Lucy und Myers, die Hochschule wegen Diskriminierung zu verklagen. Das Verfahren zog sich über fast drei Jahre hin – eine Zeit, die Lucy mit Arbeiten als Sekretärin bei einer Versicherung überbrückte. Und in der auf juristischer Ebene ein Meilenstein gesetzt wurde: Der Supreme Court gab 1954 einer Gruppe von Eltern Recht, die in nach Hautfarben trennenden Schulen einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz orteten. Der Entscheid markierte das Ende der rechtlich sanktionierten Rassentrennung an staatlichen Schulen. Bald darauf fiel das Urteil im Fall von Lucy und Myers: Ihre Ablehnung durch die Universität wurde als nicht zulässig eingestuft und Lucy neuerlich zum Studium zugelassen. Myers, die mittlerweile ein uneheliches Kind bekommen hatte, wurde deswegen hingegen der Zutritt verwehrt.

Beworfen mit Steinen und Eiern

Am 1. Februar 1956 schrieb sich die mittlerweile 26-jährige Lucy für das Studium der Bibliothekswissenschaft ein – und war damit die erste Afroamerikaner, die an der weißen Universität von Alabama zugelassen wurde. „Ich hoffte, es wäre ein Sprungbrett, damit wir uns in Zukunft besser verstehen“, sagte sie im November 2002 der Nachrichtenagentur AP. Sie habe sich gesagt: „Du darfst dich nicht von Furcht stoppen lassen.“ Noch am selben Tag besuchte sie ihre erste Lehrveranstaltung. „Am ersten Tag kamen viele Studenten auf mich zu und sagten: 'Wir hoffen, dass du hier glücklich wirst'“, so Lucy. „Am zweiten Tag war es dasselbe. Der dritte Tag änderte alles.“

Ein wütender Mob erwartete die dunkelhäutige Studentin am 3. Februar 1956 am Gelände der Universität. Eier und Steine flogen. Das „Atlanta Journal“ wird später von einem „rassistischen Feuersturm“ an der „Bama“, wie die Universität von Alabama auch genannt wird, schreiben. Lucy rettete sich in einen Hörsaal. Von der Hofseite her dröhnte es: „Hey, ho, ho, Autherine must go.“ „Ich sah umher“, sagt sie später in Interviews, „meine Klassenkameraden sahen kalkweiß aus.“ Sie begann zu beten. „Ich war nicht zur Universität von Alabama gekommen, um zu sterben“, wird sie der „Spiegel“ im Mai 1956 zitieren.

Nach dem Unterricht wurde Lucy in ein leeres Zimmer geführt. Nach wie vor randalierten am Campus rund 300 Weiße, überwiegend Arbeiter. Erst Stunden später traf die Polizei ein, zerstreute die Menge und fuhr die Studentin in die Wohnung, die sie in Birmingham zusammen mit ihrem Schwager, ihrer Schwester und deren fünf Kindern bewohnte. Noch am selben Abend erhielt sie ein Telegramm von der Universität: Sie werde „aus Gründen der allgemeinen und ihrer eigenen Sicherheit vorläufig von der Universität verwiesen“, hieß es darin.

"Ich liebe diejenigen, die jetzt an der Universität sind"

Lucy und NAACP antworteten mit einer Beschwerde – und hatten Erfolg. Am 29. Februar entschied das Bundesgericht von Birmingham, dass Lucy an die Hochschule zurückkehren darf und diese für ihre Sicherheit zu sorgen hatte. Doch die Hochschule weigerte sich. Sie warf der Afroamerikanerin Verleumdung vor. Im Zuge ihrer Beschwerde habe sie „falsche und gehaltlose Anschuldigungen“ gegenüber der Universität geäußert. Lucy resignierte. Fortan beschäftigte sie sich mit Arbeiten für die Bürgerrechtsvereinigung, hielt Reden bei NAACP-Treffen. Im April 1956 heiratete sie Hugh Foster, den sie noch vom Miles College kannte.

Nach Zwischenstopps in Louisiana, Mississippi und Texas kehrte das Paar 1974 nach Alabama zurück, wo die mittlerweile 45-Jährige eine Anstellung an der Birmingham School erhielt. 14 Jahre später dann die Genugtuung: Im April 1988 wurde ihr Ausschluss von der Universität von Alabama offiziell für ungültig erklärt. Sie fasste sich ein Herz, schrieb sich neuerlich ein und bekam im Mai 1992 einen Mastertitel verliehen. „Für mich war es wichtig, dorthin zu gehen“, sagt die heute 87-Jährige. Groll verspürt die Amerikanerin nicht: „Das, was geschehen ist, liebe ich nicht. Aber ich liebe diejenigen, die jetzt an der Universität sind – sie haben mir nichts getan.“

Rassentrennung in den USA

Von 1896 bis 1964 galt in den Südstaaten der USA eine strikte Rassentrennung („separate but equal“ - „getrennt aber gleich“). In den 1950er und 1960er Jahren führte der Unmut der Afroamerikaner darüber zur Ausbildung von Bürgerrechtsbewegungen. Durch die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in den Fällen „Brown v. Board of Education“ (eine Sammelklage von Eltern gegen vier Bundesstaaten und den Bundesdistrikt, die die Position vertraten, dass separate Einrichtungen für Schüler getrennt nach Hautfarbe den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung der Vereinigten Staaten verletzen) und „Bolling v. Sharpe“ wurde 1954 die Rassentrennung in öffentlichen Schulen in allen Bundesstaaten einschließlich des Bundesdistrikts Washington, D.C. für verfassungswidrig erklärt.

Endgültig abgeschafft wurde die Segregation erst am 2. Juli 1964 durch den „Civil Rights Act“ von Präsident Lyndon B. Johnson. 1965 folgte der „Voting Rights Act“, der die gleiche Beteiligung von Minderheiten, besonders Afroamerikanern, bei US-Wahlen garantiert. Allerdings finden sich bis heute klar getrennte „schwarze“ und „weiße“ Wohngebiete in den Vereinigten Staaten von Amerika.

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