Europas „Plan B“ ist Chef des Weltfußballs

Gianni Infantino
Gianni InfantinoAPA/AFP/FABRICE COFFRINI
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Gianni Infantino ist Sepp Blatters Nachfolger als Fifa-Präsident. Der Italo-Schweizer, zuvor Uefa-Generalsekretär, kommt aus Brig, Blatters Nachbarort.

Zürich/Wien. Der Weltfußballverband Fifa bleibt in Schweizer Hand. Obwohl Beobachter Scheich Salman als Topfavoriten auf die Nachfolge von Sepp Blatter auf dem Fußball-Thron wähnten, machte letztendlich Europas „Plan B“ nach der Sperre von Michel Platini das Rennen. Der Italo-Schweizer, 45, dem Gros im Weltfußball als glatzköpfige Losfee bei Europacup-Auslosungen ein Begriff, ist neuer Spielmacher im Weltfußball.

Infantino gewann beim außerordentlichen Fifa-Kongress im Zürcher Hallenstadion im zweiten Wahlgang mit 115 Stimmen. Scheich Salman, seit 2011 wegen Menschenrechtsverletzungen in Bahrain umstritten, kam nur auf 88 Voten. Damit ist der seit 2009 als Uefa-Generalsekretär aktive Infantino plötzlich der neunte Präsident in der 112-jährigen Historie des Weltfußballverbandes. Er sagt: „Ich will jetzt eine neue Ära starten.“

Wieder ein Schweizer

Der durch Korruptionsaffären sonder Zahl in Verruf geratene Weltverband braucht dringend eine Neuordnung. Infantino ist unbescholten, war in keinerlei Skandale verwickelt und vielleicht ist das einer der Gründe, warum er triumphierte. Dabei, mit dem Waschen schmutziger Wäsche kennt man sich im Hause Infantino aus. Launig erzählte der neue Präsident am Vorabend der Wahl, dass er das Amt als Vereinschef in seinem Schweizer Heimatort Brig als 18-Jähriger nur bekommen habe, weil seine Mutter versprach, alle Trikots zu waschen.

Infantino, 45, Jurist aus dem Wallis und aus dem Nachbarort Blatters, glänzt mit ungeheurer Eloquenz. Charme verbindet er mit Funktionärs-Geschick, er kennt das Geschäft und deshalb war er für seine Kandidatur um die halbe Welt geflogen. Er traf die Macher diverser Konföderationen, suchte nach Lösungen, freilich machte er großzügige Angebote und weitreichende Zugeständnisse, an deren Einhaltung seine Wähler ihn gewiss bald erinnern werden.

Die Tipps von Sepp Blatter

Versprechungen machte Infantino getrost zuhauf, auch schien er vorab bestens über die neuen Reformen informiert. Der neue, in seiner Position enorm aufgewertete Fifa-Generalsekretär soll aus Afrika kommen, die Fußball-WM – trotz Einwände aus Europa – auf 40 Teilnehmer auswachsen. Somit erklärt sich vielleicht das Gros der (nicht erwarteten) Stimmen. Nationalverbände sollen generell mehr Geld bekommen, 4,5 Millionen Euro pro Verband hat ihnen Infantino von 2018 bis 2022 zugesagt. Wie er bloß auf all diese Idee gekommen ist? Nicht Platini war sein hilfreicher Einflüsterer, Infantino hatte tatsächlich bei Blatter um „Wahlkampf-Tipps“ vorgesprochen und offenbar besser zugehört als Scheich Salman, der ebenfalls um den „Segen“ des Schweizers in der Nachfolgefrage gebeten hatte.

Im Weltverband muss Infantino danach trachten, Zusammenhalt zu schaffen. Es gilt Aufräumarbeit zu leisten im großen Stil, Reformen umzusetzen und einen transparenten Kurs einzuschlagen um Geldgeber, Veranstalter, Partner und das FBI zu befrieden, das in der laufenden Korruptionsaffäre weiterhin Aktenberge sichtet und verhaftete/angeklagte Funktionäre zur Kooperation „ermuntert“.

Infantino hielt eine begeisternde Schlussrede. „Ich frage Sie: Wenn die Fifa fünf Milliarden einnimmt, können wir dann nicht 1,2 Milliarden reinvestieren? Das Geld der Fifa ist Ihr Geld. Das Geld der Fifa muss der Entwicklung des Fußballs dienen.“ Damit hatte er trotz warnender Zwischenrufe des Scheichs das Gros der 207 wahlberechtigten Funktionäre erobert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2016)

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