Abschiebungen: Wie sicher sind Maghreb-Länder?

Der marokkanische Innenminister Mohamed Hassad (li.) verspricht seinem deutschen Amtskollegen Thomas de Maiziere bei Abschiebungen marokkanischer Staatsbürger aus Deutschland zusammenzuarbeiten.
Der marokkanische Innenminister Mohamed Hassad (li.) verspricht seinem deutschen Amtskollegen Thomas de Maiziere bei Abschiebungen marokkanischer Staatsbürger aus Deutschland zusammenzuarbeiten.APA/AFP/FADEL SENNA
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Deutschland will mit den nordafrikanischen Ländern Abschiebungs-Vereinbarungen treffen. Menschenrechtets-Aktivisten sehen das kritisch.

Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) reist seit Sonntag durch den Maghreb. Aufgrund der geplanten Einstufung der drei Maghreb-Länder Marokko, Tunesien und Algerien als "sichere Herkunftsstaaten" will die deutsche Regierung die Zusammenarbeit mit ihnen bei der Abschiebung ihrer jeweiligen Staatsbürger verbessern. Deutschland und Marokko haben sich bereits auf ein Verfahren zu beschleunigten Rückführung marokkanischer Staatsbürger verständigt. Dies soll in erster Linie Marokkaner betreffen, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen und sich als syrische Bürgerkriegsflüchtlinge ausgaben.

Die Pläne stoßen bei Menschenrechtlern auf Kritik, denn die sicher seien diese Länder nur zum Teil.

Algerien

In dem seit 17 Jahren von Präsident Abdelaziz Bouteflika regierten Land sind nach Angaben von Menschenrechtlern die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Friedliche Demonstranten, Aktivisten und Journalisten wurden laut dem Jahresbericht von Amnesty International inhaftiert und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Gerichte verhängten die Todesstrafe etwa für Mord, sie wurde 2015 jedoch nicht angewandt.

Seit kurzem sind Gewalt in der Ehe und sexuelle Belästigung von Frauen in der Öffentlichkeit strafbar. Doch können laut Amnesty Männer, die eine Minderjährige vergewaltigt haben, nach wie vor straffrei bleiben, wenn sie diese heiraten.

Ein Paket von Verfassungsänderungen beschränkt die Zahl der Präsidentschaftsmandate auf zwei und erkennt die Presse- und Versammlungsfreiheit ebenso wie die Sprache der Berberminderheit Tamazight an. Kritiker sprechen allerdings von kosmetischen Reformen, mit denen der große Einfluss der Eliten in Armee und Politik kaum beschnitten werde.

Marokko

Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheiten sind auch hier eingeschränkt. Regierungskritiker und Menschenrechtler wurden festgenommen und unter anderem wegen "Gefährdung der inneren Sicherheit" strafrechtlich verfolgt. Unterstützer sprechen von einer "systematischen Medienkampagne" des Staates gegen Aktivisten. Die Bewegung des 20. Februar, so benannt nach dem ersten Tag der Massenproteste für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit 2011, klagt über "Repressionen".

Gefangene und Untersuchungshäftlinge wurden nach eigenen Angaben gefoltert oder misshandelt. Auch friedliche Proteste wurden in dem Königreich teils gewaltsam aufgelöst, wie es in dem Amnesty-Jahresbericht heißt. Journalisten kamen unter anderem wegen des Vorwurfs der "falschen Berichterstattung" ins Gefängnis.

Frauen sind laut Amnesty nur unzureichend vor sexueller Gewalt geschützt. Homosexuelle können zu bis zu drei Jahren Haft verurteilt werden. Die Todesstrafe wurde verhängt, aber nicht vollstreckt.

Tunesien

Das Ursprungsland des Arabischen Frühlings gilt in mancher Hinsicht als Vorbild in der Region für eine Entwicklung hin zu mehr Demokratie - das sogenannte Dialog-Quartett erhielt im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis. Doch führten regionale und soziale Ungleichheiten, Armut und Arbeitslosigkeit Anfang des Jahres zu den größten Protesten seit der Revolution von 2011.

Die in der Verfassung von 2014 garantierten "fundamentalen Freiheiten", die Gleichheit vor dem Gesetz oder der Kampf gegen die Korruption sind politischen Aktivisten zufolge bis heute nicht umgesetzt worden. Vor allem die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit sind eingeschränkt.

Medien unterliegen laut Amnesty der Zensur. Mehrere Demonstrationen wurden 2015 dem Jahresbericht zufolge mit "exzessiver Gewalt" aufgelöst. Das neue Antiterrorgesetz wird von Menschenrechtlern kritisiert, weil es das Risiko von Folter und Misshandlungen durch Sicherheitskräfte erhöhe. Festgenommene Verdächtige berichteten von Foltermethoden wie "Waterboarding".

Als Fortschritt betrachtet dagegen Human Rights Watch eine Justizreform, die unter anderem Verdächtigen in Gewahrsam das Recht auf einen Anwalt zugesteht.

Frauen werden laut Amnesty nur unzureichend gegen sexuelle Gewalt geschützt. Wie in Algerien können Männer, die Minderjährige vergewaltigen, einer Strafe entgehen, wenn sie ihr Opfer heiraten. Homosexuelle, aber auch Bisexuelle und Transgender werden diskriminiert. Gleichgeschlechtliche Beziehungen können mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Todesurteile wurden 2015 nach Angaben von Amnesty nicht vollstreckt.

(Schluss) ivn

(APA/AFP)

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