Iraks Armee marschiert vor Mossul auf. Auch in der Stadt selbst regt sich Widerstand gegen den IS. Die Terrorarmee wird immer nervöser und verstärkt die Jagd auf „Verräter“.
Der Angriff erfolgte rasch und aus dem Hinterhalt. Eine Gruppe junger Männer überfiel einen Kommandanten des sogenannten Islamischen Staats (IS) und tötete den aus Marokko stammenden Jihadisten. Die Aktion erfolgte nicht irgendwo, sondern mitten in Nordiraks IS-Hochburg Mossul. Die IS-Führung warnte daraufhin ihre Kommandanten davor, sich allein in den Straßen Mossuls zu bewegen. Diesen Vorfall schilderte nun die kurdische Nachrichtenagentur Bas News unter Berufung auf irakische Militärquellen.
Schon in der Vergangenheit sind immer wieder Meldungen über Operationen von Untergrundgruppen aus der größten Stadt, die sich in der Hand des IS befindet, gedrungen. Im Sommer rühmten sich Kämpfer aus Mossul, zwei Dutzend saudische IS-Männer umgebracht zu haben.
Offensive noch im März?
Mittlerweile ist der Druck auf den IS massiv gestiegen. Iraks Präsident, Haidar al-Abadi, verkündete, dass die Rückeroberung Mossuls unmittelbar bevorstehe. Iraks Streitkräfte ziehen immer mehr Soldaten, Panzer und Geländefahrzeuge im Camp Makhmour südöstlich der Stadt zusammen. In Iraks Hauptstadt Bagdad und in Erbil, der Hauptstadt der nordirakischen Kurdenregion, kursieren Gerüchte, die Großoffensive gegen die IS-Hochburg könnte im April oder sogar noch im März starten.
„Die Operationen gegen Mossul haben bereits begonnen“, sagte am Montagabend US-Generalstabschef Joseph Dunford bei einer Pressekonferenz mit US-Verteidigungsminister Ashton Carter. Mithilfe von Cyber-Kriegsführung soll die Kommunikation zwischen der IS-Führung und ihren Einheiten unterbrochen werden. Zudem berichtete Carter vom Einsatz von US-Spezialkräften in der Region.
In Mossul leben fast drei Millionen Menschen. Die Stadt ist neben dem kleineren Raqqa in Syrien die wichtigste Bastion des IS. Während Raqqa die zivile „Hauptstadt“ der Extremisten ist, kommt Mossul die Funktion eines militärischen Zentrums zu. Zudem ist die nordirakische Metropole das Herz der irakischen Gebiete des IS. Sollten die Extremisten Mossul verlieren, wäre das der Anfang vom Ende des von ihnen ausgerufenen Kalifats.
Seit fast zwei Jahren kontrolliert der sogenannte Islamische Staat nun die nordirakische Stadt. Im Juni 2014 war in Mossul ein Aufstand gegen die schiitisch geprägte Zentralregierung in Bagdad losgebrochen. Daran beteiligten sich Anhänger des einstigen Diktators Saddam Hussein und lokale sunnitische Stämme. Dem IS gelang es, nach dem Umsturz die Kontrolle zu übernehmen.
IS exekutiert acht Niederländer
Obwohl die Einwohner Mossuls unter der Terrorherrschaft des IS mit all seinen bizarren Gesetzen leiden, haben einige der mächtigen Stämme das zunächst als das vermeintlich geringere Übel erduldet. Sie wollen mehr Eigenständigkeit gegenüber Bagdad und fürchten Übergriffe, sollten schiitische Milizen in Mossul einmarschieren. Damit eine Offensive gegen die IS-Hochburg erfolgreich sein kann, müssten sich neben der irakischen Armee und kurdischen Peshmerga auch sunnitische Kämpfer innerhalb und rund um Mossul daran beteiligen.
Der IS scheint sich mittlerweile immer mehr vor Angriffen zu fürchten, die hinter der Front gegen ihn gestartet werden könnten. Mehrmals massakrierte der IS bereits Männer sunnitischer Clans, denen er vorwarf, einen Aufstand zu planen – vor allem im Irak, aber auch in Syrien, wo kurdische und verbündete arabische Kräfte immer näher an die IS-Hauptstadt Raqqa heranrücken.
Der Druck von Außen lässt auch die Risse innerhalb der Extremistenorganisation immer größer werden. Wie Aktivisten der Organisation „Raqqa wird still geschlachtet“ im Internet berichten, sei nun in Raqqa ein Machtkampf zwischen niederländischen und irakischen IS-Kämpfern eskaliert. Die europäischen Jihadisten hatten im Stadtteil al-Furusiya in Raqqa ihr eigenes Camp errichtet. Nach einem Streit mit irakischen IS-Kommandanten stürmten IS-Kämpfer das Lager und verhafteten 75 Niederländer. Acht von ihnen wurden hingerichtet.
Auch auf der Ghazlani-Militärbasis nahe Mossul exekutierte der IS erst vor wenigen Tagen 35 seiner Kämpfer – wegen „Verrats und Befehlsverweigerung“. Die einst so gefürchtete und als unbesiegbar geltende Terrorarmee zeigt erste Zerfallserscheinungen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2016)