Hilfe für Syrien: Was Österreich für Flüchtlinge tut

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Die Regierung beschwört die „Hilfe vor Ort“ und will mit weiteren fünf Millionen Euro Flüchtlinge unterstützen. Im internationalen Vergleich ist Österreich dagegen oft sparsam.

Wien. Nach dem Ministerrat klopften sich die österreichischen Regierungsmitglieder noch einmal selbst auf die Schulter. Am Dienstag haben sie fünf Millionen Euro zusätzlich für die Versorgung von Flüchtlingen auf der Ägäis-Route vom Libanon bis Griechenland abgesegnet. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sah Österreich „in Summe weit vorn dabei, wenn es um Unterstützung geht“. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil befand, Wien leiste „einen Beitrag, der ganz im Zeichen unserer humanitären Tradition steht und die Menschen vor Ort unterstützt“.

Humanitäre Hilfe vor Ort – so lautet das Mantra, auf das österreichische Regierungsmitglieder stets verweisen, wenn es um einen geeigneten Umgang mit der Flüchtlingskrise geht. In den Beiträgen an jene Hilfsorganisationen, die bei der Versorgung der Notleidenden an vorderster Front stehen, schlägt sich dieser Leitspruch im internationalen Vergleich dagegen nicht immer nieder. Kritiker wie die grüne Abgeordnete Tanja Windbüchler fordern deshalb, die Hilfe aufzustocken. „Die Zahlen zeigen, dass Hilfe vor Ort eine leere Worthülse ist und bleibt“, sagte sie der „Presse“.

Hinter Kongo und Malawi

Beispiel Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen: das WFP leistet jeden Monat Nothilfe für mehr als 5,3 Millionen Menschen in Syrien und den Nachbarländern und finanziert sich aus freiwilligen Beiträgen. 2015 hatte Österreich neben den vorgesehenen 400.000 Euro für die WFP-Hilfe in Syrien (die erst mit großer Verspätung im Herbst ausgezahlt wurde) fünf Millionen Euro zusätzlich an das UN-Programm bezahlt, um die Menschen in der Region zu versorgen. Der Nationalrat hatte im September in einem Antrag gefordert, das WFP stärker zu unterstützen.

In diesem Jahr sind indes bisher lediglich 250.000 Euro für das WFP in Syrien vorgesehen. Das Geld ist an die Organisation noch nicht ausgezahlt worden, weil der entsprechende Vertrag mit der Austrian Development Agency (ADA) noch unterzeichnet werden muss. Auch insgesamt trägt Österreich im internationalen Vergleich wenig zum Welternährungsprogramm bei: Statt der früher üblichen zwei bis vier Millionen bezahlte Wien in den vergangenen Jahren meist nur noch etwas mehr als eine Million Euro an das WFP. Im Geber-Ranking hat Wien sich 2015 dank der Fünf-Millionen-Euro-Spende von Platz 60 auf Platz 34 der Geberstaaten katapultiert. Im Fünf-Jahres-Vergleich findet sich Österreich derzeit auf Platz 50, hinter Staaten wie der Republik Kongo, Malawi oder Bangladesch.

Es sind vor allem die geringen Beiträge an internationale Organisationen wie das WFP, das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), die Windbüchler kritisiert. Auf der Geberliste des UNHCR für das vergangene Jahr findet sich Österreich mit rund 4,2 Millionen US-Dollar und dem 39. Platz (2014: 2,8 Mio.) zwar im vorderen Drittel, aber weit hinter Ländern wie Schweden, der Schweiz oder Belgien. Kein Vergleich besteht zu Deutschland, das der Nationalrat in seinem Entschließungsantrag zur Hungerhilfe im September als möglichen Orientierungspunkt nannte. Allein auf der Syrien-Konferenz in London Anfang des Jahres sagte Kanzlerin Angela Merkel 570 Millionen Euro für das WFP zu. Das UNHCR erhielt aus Berlin 2015 mehr als 130 Millionen Euro.

„Massiv aufgestockt“

Auf österreichischer Regierungsseite betont man dagegen, die Mittel für humanitäre Hilfe seien gerade aufgrund der Syrien-Krise massiv aufgestockt worden. Nach Angaben aus dem Außenministerium sind bisher, alle Organisationen und Töpfe zusammen genommen, 38 Millionen Euro für Syrien, den Irak und syrische Flüchtlinge in der Region ausbezahlt worden. Österreich ist mit 11,5 Millionen versprochenen Euro auch in absoluten Zahlen einer der Hauptbeitraggeber des EU-Syrien-Fonds (MADAD). Der EU-Afrika-Fonds erhält drei Millionen Euro aus Wien. Gelder für das Internationale Rote Kreuz und das UN-Nothilfebüro OCHA sind erhöht worden, 750.000 erhielt Unicef für syrische Flüchtlingskinder. Die fünf Millionen Euro für die Flüchtlinge auf der Balkanroute gehen an das UNHCR.

„Das System der Hilfe vor Ort ist völlig intransparent“, sagt dagegen Windbüchler mit Verweis auf die vielen Fonds und Hilfsorganisationen. Sie fordert „klare Transparenz, wie viele Gelder tatsächlich fließen“. Schließlich werde oft nicht alles ausbezahlt, was angekündigt werde. Und: Eine Strategie der Regierung für die viel beschworene Hilfe vor Ort sei nicht zu erkennen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2016)

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