Causa Franz: Als sich Reinhold Lopatka irrte

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Der persönliche Angriff auf Angela Merkel war dann doch zu viel: Der verhaltensauffällige Marcus Franz, erst im Juni vom Team Stronach gekommen, muss den schwarzen Klub verlassen.

Wien. Die Frage war schon länger nicht mehr gewesen, ob Marcus Franz den ÖVP-Klub eines Tages wieder verlassen wird (wieder wird verlassen müssen), sondern nur noch: wann? Seit Mittwoch kennt man die Antwort: am 1. März 2016. Seine persönliche Freiheit sei ihm wichtiger, schrieb Franz in einer Stellungnahme. Daher gehe er mit sofortiger Wirkung. Es war zwar eine einseitige Trennung gewesen, aber sie war nicht von Franz ausgegangen. Nach seinem tiefenpsychologischen Versuch über Angela Merkel, der er unterstellt hatte, deswegen so viele junge Migranten ins Land zu lassen, um damit ihre Kinderlosigkeit zu kompensieren, war der 52-Jährige von Klubobmann Reinhold Lopatka vor die Wahl gestellt worden: Wenn er nicht freiwillig gehe, würde er gegangen. Es geschah dann beides: Nach seinem freiwilligen Abschied wurde Franz vom Wiener ÖAAB, dem er im Vorjahr beigetreten war, per Notverordnung aus der ÖVP ausgeschlossen. Begründung: Die Aussagen über Merkel ließen sich nicht mit einer christlich-sozialen Haltung vereinbaren.

Lopatka saß zu dieser Zeit mit Bundespräsident Heinz Fischer und einer österreichischen Delegation im Flugzeug nach Kuba. In einem stillen Moment wird den ÖVP-Klubchef womöglich so etwas wie Reue heimgesucht haben. Immerhin war er gewarnt gewesen, als er den verhaltensauffälligen Mediziner im Juni 2015 vom Team Stronach abgeworben hat. Schon damals war Franz ein einschlägig beschriebenes Blatt gewesen. Er hatte – unter anderem – freiwillige Kinderlosigkeit als amoralisch und Homosexualität als genetische Anomalie bezeichnet.

Lopatka versuchte, die negativen Vorzeichen in positive umzukehren. Franz könnte eine Ansage an den christlich-konservativen Parteiflügel sein. Außerdem wollte er die SPÖ unter Druck setzen, indem er neben bzw. nach Franz drei weitere Stronach-Abgeordnete – Georg Vetter, Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger – in den ÖVP-Klub holte. Mit ihnen hatte man 50 Mandate, nur noch eines weniger als der Koalitionspartner.

Doch Lopatka hatte sich verspekuliert. Der Imageschaden, den Franz durch seine kruden Thesen in der ÖVP anrichtete, war größer als der machtpolitische Nutzen. Immer wieder musste sich der Klubobmann von ihm distanzieren: Im Juli, als Franz Adolf Hitler einen Linksextremisten nannte. Im November, als er den Bundesadler im Nationalrat durch ein Kreuz ersetzen wollte. Mitte Februar, als er die Gebärdensprache als „linguistische Prothese“ für einen Mangel bezeichnete. Und schließlich am Dienstag, als er Merkel persönlich attackierte.

Eine Politikerkollegin fragte sich tags darauf, was denn eigentlich Franz – um in der Tiefenpsychologie zu bleiben – so den lieben langen Tag kompensiere. Dem Nationalrat bleibt er jedenfalls erhalten – als nunmehr vierter wilder Abgeordneter neben den Ex-Freiheitlichen Rupert Doppler, Gerhard Schmid und Susanne Winter. [ Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Marcus Franz
Politik

Marcus Franz muss ÖVP verlassen

Der Wiener ÖAAB trennt sich "per Notverordnung" von seinem Kurzzeit-Mitglied. Franz will "wilder Abgeordneter" bleiben.
VP-Mandatar Franz: Merkel "kompensiert" mit Asypolitik Kinderlosigkeit
Politik

VP-Mandatar Franz: Merkel "kompensiert" Kinderlosigkeit

Marcus Franz stellt die "Theorie" auf, die deutsche Kanzlerin nutze die Flüchtlingspolitik als "Wiedergutmachung". VP-Klubchef Lopatka entschuldigt sich für die Aussagen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.