Gerhard Roth bekommt Großen Österreichischen Staatspreis

Gerhard Roth wurde am 24. Juni 1942 in Graz geboren.
Gerhard Roth wurde am 24. Juni 1942 in Graz geboren.APA/ROLAND SCHLAGER
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Erstmals seit 2012 geht der Preis wieder an einen Schriftsteller. Für den 73-jährigen Grazer Gerhard Roth ist die späte Auszeichnung auch eine "Versöhnungsgeste".

Der österreichische Schriftsteller Gerhard Roth erhält den Großen Österreichischen Staatspreis 2016. Die mit 30.000 Euro dotierte Auszeichnung wird dem 73-jährigen gebürtigen Grazer Anfang des Sommers verliehen. Der Kunstsenat würdigte Roth in einer Aussendung als "einen der bedeutendsten und international bekanntesten österreichischen Schriftsteller".

Roth freut sich "über die späte Auszeichnung". Für ihn sei dies auch "eine Versöhnungsgeste", wie er am Freitag gegenüber der APA festhielt. "Ich habe ja lange Zeit sehr harte Kritiken in Österreich bekommen. Aber jetzt freue ich mich, dass das zu einem Ende gefunden hat."

Schließlich sei es nicht seine Aufgabe, "ein literarischer Boxer zu sein", hielt Roth fest. "Ich habe alles aus mir herausgeholt und das wird jetzt zur Kenntnis genommen. Darüber freue ich mich sehr", betonte der Autor, der als einer der zentralen Vertreter der österreichischen Nachkriegsliteratur gilt. Zu seinen wesentlichen Werken gehören die Romanzyklen "Archive des Schweigens" und "Orkus". Der bis dato letzte Roman, "Grundriss eines Rätsels", ist 2014 erschienen.

"Ich habe keine Netze geflochten"

Der Staatspreis habe für Roth, der im Laufe seiner Karriere schon etliche Auszeichnungen entgegennehmen durfte, eine besondere Bedeutung. "Weil ich als Österreicher, der in diesem Land lebt und darüber schreibt, nicht immer zur Freude der Menschen, jetzt anerkannt werde." Er habe nie danach geschielt, Preise zu bekommen. "Ich habe mich immer auf meine Arbeit konzentriert und keine Netze geflochten. Ich bin auch im Literaturbetrieb zurückhaltend." Nur die Dotierung von 30.000 Euro hätte er "wesentlich früher vielleicht mehr gebraucht als jetzt".

Neuer Roman soll 2017 erscheinen

Aktuell arbeitet Roth an seinem nächsten Werk. "Nächstes Jahr kommt zu meinem 75. Geburtstag ein Roman über Venedig heraus, 'Ein venezianischer Alptraum'. Da bin ich jetzt an den letzten Korrekturen. Aber inzwischen arbeite ich schon wieder am nächsten. Das ist das Einzige was mich sozusagen in geistiger Form hält."

Das umfangreiche Oeuvre Roths, der mit seinen Romanzyklen "Archive des Schweigens" und "Orkus" zwei zentrale Werke der österreichischen Nachkriegsliteratur geschaffen hat, ist in den vergangenen Jahren durch Bücher gewachsen, die die Vielseitigkeit seines Schaffens unterstreichen.

In dem Band "Portraits" wurden Essays versammelt, die Roth im Laufe der Jahrzehnte über Künstler und Politiker, Kollegen und Zeitgenossen geschrieben hat, in dem Fotobuch "Im Irrgarten der Bilder" ist eine Auswahl seiner Fotos der Gugginger Künstler erschienen. 2014 fügte er seinem Oeuvre mit dem Roman "Grundriss eines Rätsels" ein weiteres gewichtiges Werk hinzu.

Erst Medizin, dann Literatur

Gerhard Roth wurde am 24. Juni 1942 in Graz geboren. Nach dem Willen seines Vaters, eines Arztes, studierte er ab 1961 in seiner Heimatstadt Medizin, brach das Studium jedoch 1967 ab. 1966 bis 1977 arbeitete er als Programmierer und Organisationsleiter im Grazer Computerrechenzentrum, um neben seiner literarischen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ab den frühen 1970er-Jahren veröffentlichte er experimentelle Prosa (etwa 1972 "die autobiographie des albert einstein") und versuchte sich auch als Theaterautor ("Lichtenberg", "Sehnsucht", "Dämmerung").

Ein großzügiger Vorschuss des S.Fischer Verlags ermöglichte es Roth, sich ganz auf die Arbeit an den "Archiven des Schweigens" zu konzentrieren. 1980 erschien als erstes Buch "Der stille Ozean" (eine Verfilmung durch Xaver Schwarzenberger errang 1983 den Silbernen Bären der Berlinale). Mittelpunkt des aus den unterschiedlichsten literarischen Gattungen zusammengesetzten Zyklus, in dem Fiktion und (auch fotografische) Dokumentation ineinanderfließen, ist das 1984 erschienene 800-Seiten-Buch "Landläufiger Tod". 1991 wurde der Zyklus mit "Die Geschichte der Dunkelheit" abgeschlossen.

Mit "Der See", dem Auftakt-Roman seines Zyklus "Orkus", sorgte Roth 1995 für Aufregung in den Reihen der FPÖ, die in einem populistischen Politiker, auf den beinahe ein Attentat verübt wird, ihren damaligen Parteiobmann Jörg Haider wiedererkannte. Danach erweiterte Roth mit "Der Plan" (1998) und "Der Berg" (2000), "Der Strom" (2002) und "Das Labyrinth" (2005) seine Schauplätze um Japan, Griechenland, den Balkan, Ägypten, Wien, Madeira und Madrid.

Es folgte der Essay-Band "Die Stadt", "Das Alphabet der Zeit" und schließlich 2011 mit "Orkus. Reise zu den Toten" ein großer Abschlussband, in dem Figuren und Motive aus beiden Zyklen verwoben, Erfundenes und Gefundenes, Dokumentarisches, Essayistisches und Fiktionales verschmolzen wurden.

Reportagen, Essays und eine klare Haltung

Gerhard Roth ist für sein schriftstellerisches Werk wie auch für seine in Reportagen, Essays und Interviews eingenommene klare politische Haltung vielfach ausgezeichnet worden. "Gerhard Roth hat eine Art von Herzensbildung, die gar nicht anders kann, als Anteil zu nehmen an der körperlichen und geistigen Not anderer", sagte Laudator Andre Heller 2003 bei der Verleihung des "Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien" an Roth, der ein "Eichmeister der österreichischen Wirklichkeit" sei. "Das Schweigen der Lämmer, und sei es noch so friedlich, kann nicht der Maßstab für die Grenzen der Toleranz sein", meinte Roth selbst anlässlich der Verleihung des Toleranz-Preises des österreichischen Buchhandels 1994.

Zuletzt kam zu seinen zahlreichen Preisen im Herbst 2015 der mit 15.000 Euro dotierte Jean-Paul-Preis dazu, im selben Jahr wurde ihm auch der Bremerhavener Literaturpreis zugesprochen. Seinen Vorlass hat er bereits vor Jahren an die Stadt Graz verkauft.

Info

Der mit 30.000 Euro dotierte und 1950 begründete Große Österreichische Staatspreis wird ohne festgelegtes Rotationsprinzip innerhalb der Sparten Literatur, Musik, Bildende Kunst und Architektur vergeben.

2015 wurde das Architekten-Duo Elke Delugan-Meissl und Roman Delugan ausgezeichnet.

(APA)

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