Marcel Hirscher: Endgültig eine Legende

SKI ALPIN WC IN KRANJSKA GORA: HIRSCHER
SKI ALPIN WC IN KRANJSKA GORA: HIRSCHERAPA/EXPA/ JOHANN GRODER
  • Drucken

Marcel Hirscher gewinnt den RTL von Kranjska Gora und krönt sich damit vorzeitig zum fünften Mal in Serie zum Gesamtweltcupsieger. Die Skigeschichte eines Erfolgsmenschen.

Marcel Hirscher hat es geschafft. Der 27-jährige Skistar gewann den RTL in Kranjska Gora vor Alexis Pinturault und Henrik Kristoffersen und sicherte sich damit vorzeitig zum fünften Mal in Serie den Gesamtweltcup. Der Annaberger zog damit mit Rekordhalter Marc Girardelli gleich, obendrein sicherte er sich auch die kleine Kristallkugel in der RTL-Wertung. Der ÖSV-Star vom Skiklub Annaberg hat Skigeschichte geschrieben, gilt nun endgültig als der erfolgreichste Skifahrer. Ganz fassen konnte er an Ort und Stelle das Geschaffte nicht, all die Eindrücke brauchten Zeit zu sickern, zudem falle erst sukzessive dieser monate- wenn nicht sogar jahrelang aufgebaute Druck ab. Weil Hirscher aber stets eloquent antworten kann und auch Schmäh hat, war er um einen Satz nicht verlegen. „Oh, ich habe jetzt alles gewonnen? Dann kann ich ja ab jetzt daheim bleiben . . .“

Meilensteine, Rekorde, Seriensiege – Hirscher wird mit Erfolg assoziiert. Dabei zeichnet den Absolventen einer Hotelfachschule die Konstanz aus; in wichtigen Situationen kennt er kein Zittern, Taktieren oder Zuwarten. Deshalb wollte er in Slowenien unbedingt die Vorentscheidung fixieren, nicht länger warten. Bei seinem 38. Weltcupsieg, dem 18. im Riesentorlauf, verwies der ÖSV-Superstar mit zweimaliger Laufbestzeit (1:13,92/58,66 – 2:12,58 Min.) Pinturault (+0,53 Sek.) sowie Kristoffersen (1,59) auf die Plätze.

Zwar sind noch sieben Rennen zu fahren, Hirscher ist aber rechnerisch von seinen Verfolgern nicht mehr einzuholen, will nächste Woche nicht zu den Speedbewerben nach Kvitfjell reisen und auch in der Finalwoche in St. Moritz nicht alle Bewerbe bestreiten. Er könnte wahrlich zu Hause bleiben, „aber das geht doch nicht“, sagt der Atomic-Star. „Ich liebe doch das Skifahren.“ Er sagte es und schien in Wahrheit in gewisser Weise endlich befreit.


Bescheidenheit, eine hohe Kunst. So früh wie nie hat Hirscher Gewissheit, dass ihm das große Kristall nicht mehr zu nehmen ist. Bislang wurde der Erfolg immer erst in der Finalwoche fixiert, dreimal nach dem vorletzten, einmal nach dem drittletzten Renntag. Österreichs zweifacher Sportler des Jahres (2012, 2015) und Welt-Skifahrer (2012, 2015) hält bei 38 Siegen im Weltcup – 17 im Slalom, 18 im Riesentorlauf, einem im Super-G und zwei bei City Events (Parallel-Slaloms) – und liegt damit im vom Schweden Ingemar Stenmark angeführten Ranking (86 Siege) an sechster Stelle.

Dass er immer im Rampenlicht steht, allerorts erkannt wird, ist Begleiterscheinung einer erfolgreichen Karriere. Geld und Ruhm steigen ihm aber nicht zu Kopf, auch ist die Suche nach dem Ausgleich, der inneren Ruhe und der Wahrung des letzten Funkens Privatsphäre ein großes Anliegen. „All der Erfolg verpflichtet zu Bescheidenheit“, sagt sein Vater, Ferdinand Hirscher, der einst als Skilehrer den Sohn erstmals auf die Ski stellte und auch heute noch sein steter Wegbegleiter ist. „Er hat immer sein Bestes gegeben, und es ging ihm nie darum, Geschichte zu schreiben. Er will immer nur Erfolg haben.“

Vergleiche mit Größen wie Toni Sailer, Annemarie Moser-Pröll oder Hermann Maier scheut Hirscher. Aus Respekt, aus Anstand. Auch will er den Erfolg nicht für sich allein beanspruchen, sondern mit denjenigen teilen, die ihn begleiten, beraten, trainieren. Nicht immer sei es leicht mit ihm, sagt der Salzburger, der manchmal auch unwirsch sein kann, wie er zugab. Umso wichtiger ist sein Team, das ihm Rückhalt und Geborgenheit gibt. Neben den Eltern und Lebensgefährtin Laura achten auf das 1,73 Meter große Kraftpaket Privattrainer Michael Pircher („Das war sein bestes Rennen“), Physiotherapeut Alexander Fröis und Servicemann Edi Unterberger. Medienbetreuer Stefan Illek achtet auf Zeit und den Wohlfühlfaktor. Den Rest meistert Marcel Hirscher selbst.

Es ist die Krönung einer teilweise auch durchwachsenen Saison. Mit Aksel Lund Svindal ist im Finish der größte Widersacher verletzungsbedingt weggefallen. Hirscher wurden die Skier gestohlen, der Drohnen-Absturz oder seine lange Krankheit nagten zusätzlich am Nervenkostüm, ohne dass er es sich hatte offen anmerken lassen. „Diese fünfte Kugel ist für mich etwas ganz Spezielles, es ist aber schwer zu erklären“, suchte Hirscher nach Antworten auf Fragen nach dem Geheimnis seines Erfolges oder seiner Gefühlslage. „Ich muss allen danken, die an mich geglaubt, mir geholfen haben. Der Druck war jedoch unglaublich, er war enorm. Ich habe einfach Gas gegeben, den Hintern auf der Piste z'sammzwickt. Und was jetzt kommt? Ganz logisch: der Slalom von Kranjska Gora . . .“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Alpine Skiing - Alpine Skiing World Cup
Wintersport

Hirschers 39. Weltcupsieg, Kristall für Kristoffersen

Marcel Hirscher gewann den Slalom von Kranjska Gora, die Kugel eroberte aber der Norweger Kristoffersen.
Mehr Sport

Finaler Schwung: Die Sektdusche zum Abschied

Nach 16 Jahren im Skiweltcup trat Reinfried Herbst, 37, zurück.
ALPINE SKIING - FIS WC Kranjska Gora
Wintersport

Wie im Traum - fünfte große Kristallkugel für Hirscher

Salzburger nimmt Konkurrenten beim Wort und ließ sich zum Kugelgewinn gratulieren - Mit Sieg zu RTL-Kristall
ALPINE SKIING - FIS WC Kranjska Gora
Wintersport

Moser-Pröll über Hirscher: "Gigantisch"

Österreichs Jahrhundertsportlerin ist überzeugt, dass ihr Salzburger Landsmann auch noch Olympiagold holen wird
Alpine Skiing - Alpine Skiing World Cup
Wintersport

Marcel Hirscher, die Fahrt zur Legende

Rekorde, Siege, Serien - mit der fünften Kristallkugel als Gesamtweltcupsieger ist Marcel Hirscher endgültig an der Spitze der Skiwelt angekommen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.