Ski alpin: "Hirscher hat neue Dimensionen aufgemacht"

Marcel Hirscher
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Mit der fünften großen Kristallkugel ist Marcel Hirscher ein Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Wegbegleiter über das Ski-Phänomen.

Irgendwann werde er Buch über seine Weltcup-Abenteuer vorlegen, hat Ski-Star Marcel Hirscher in Kranjska Gora angekündigt. Wenn es das Werk schafft, die Geheimnisse hinter seiner Arbeitsweise und seiner beeindruckenden Nervenstärke zu erklären, ist ein Bestseller garantiert. Denn wie Atomic-Rennchef Christian Höflehner betonte, stellte Hirscher "den Skisport in vielen Dimensionen auf neue Füße".

Die Art und Weise, wie Hirscher heuer diverse Schockmomente (Drohnenabsturz, Brillen-Fauxpas, gestohlene Ski usw.) verdaut, sich einem immer massiver werdenden Druck gestellt und einen optimalen Formaufbau zurechtgezimmert hat, sucht im Weltcup-Zirkus ihresgleichen. Ausgerechnet zum Ende der Saison, wenn viele körperlich und psychisch langsam ausbrennen, legte der Salzburger seine stärkste Serie in diesem Winter hin: In ereignisreichen eineinhalb Wochen, die mit dem City Event in Stockholm begannen, gelangen ihm in sieben Rennen drei Siege, zudem war er zweimal Zweiter und kam zweimal auf Platz drei.

Mit diesem Leistungssprung machte Hirscher vorzeitig seine fünfte große Kristallkugel in Folge perfekt. "Das ist für mich auch unverständlich, wie man das schafft und so hinbringt, immer wieder aufs Neue das Publikum zufriedenzustellen", wunderte sich Trainer Michael Pircher, der seit 2013 innerhalb des ÖSV exklusiv mit Hirscher arbeitet. Seinen Schützling bezeichnet er als "coole Socke", die nichts so leicht aus der Bahn werfen könne.

Kurzes Tief durch Verkühlung

Zwischen Ende Jänner und Mitte Februar musste der wegen einer Verkühlung gehandicapte Hirscher durch eine kleine Schwächephase tauchen. "Nach Garmisch ist er eigentlich direkt in den Flieger nach Korea, und im Prinzip ist er dann als Angeschlagener gleich am Tag darauf das Abfahrtstraining gefahren. Da muss man eh sagen, das ist schon fast fahrlässig, wie man so was tut", verriet Pircher. "Krank, Jetlag, Abfahrt - dann haben wir langsam versucht, dass er wieder fit wird."

Ein richtiger Schritt sei gewesen, dass Hirscher nach der Rückkehr aus Japan eine kleine Rennpause eingelegt hat. "Er kriegt auch nicht die Krise und sagt, er muss unbedingt diese Kombination in Chamonix fahren", blickte Atomic-Vertreter Höflehner zurück. "Das war sehr, sehr wichtig, dass er die Woche rausgenommen hat und sich auf Stockholm und Hinterstoder vorbereitet hat. Ein anderer denkt sich: 'Ich muss nach Chamonix, muss Punkte machen', dann macht er vielleicht 30 Punkte." Hirscher habe vielmehr stets das große Ganze im Blick.

Einen eigenen Mentalcoach hat der Ausnahmesportler nicht. Er verzichte darauf, weil "er sagt, dass niemand das nachempfinden kann, was er erlebt hat", berichtete Pircher. Allein während der Heim-WM in Schladming 2013 habe ein irrsinniger Druck auf ihm gelastet. Nach dieser erfolgreich bestandenen Prüfung "haben wir uns schon gedacht: Was soll eigentlich jetzt noch kommen?".

Druck, Fans und Materialversessenheit

Hand in Hand mit dem gestiegenen Druck gingen auch Erwartungen, ständig für die Öffentlichkeit präsent sein zu sollen. Auch damit habe er insofern umzugehen gelernt, als er eingesehen habe, dass man nicht alle Wünsche erfüllen könne. Fans die kalte Schulter zu zeigen, falle Hirscher mitunter aber sehr schwer, ergänzte Pircher. "Manchmal, wenn die Leute vor dem Zielraum stehen und was wollen, ist es auch so, dass ich vorgehe und sage, das geht jetzt nicht. Dann ist nicht er der Unfreundliche, sondern ich."

Als ein weiterer Erfolgsfaktor gilt Hirschers detailversessener Zugang, was das Material betrifft. "Der Marcel ist ein Perfektionist überall. Er ist der beste Skifahrer der Welt, der auf dem Gebiet sehr viel Erfahrung und ein sehr gutes Gefühl hat, das uns bei der Entwicklung der Ski weiterbringt", erklärte Höflehner, der in seiner Zeit als ÖSV-Trainer auch Größen wie Hermann Maier, Mario Matt oder Benjamin Raich dirigiert hat. Er kenne sonst niemanden, der sich derart akribisch mit den Setup beschäftigt.

Doch nicht nur in diesem Bereich agiere der 27-Jährige wegweisend. "Marcel hat wirklich neue Dimensionen aufgemacht, auch Türen aufgemacht für die anderen. Nicht nur, was die Materialtüftlerei betrifft, er hat auch das Konditionstraining auf komplett neue Füße gestellt", meinte der Steirer. Mit seinem Trainer Gernot Schweizer bereitet sich Hirscher im Sommer so intensiv wie kaum ein anderer auf die Saison vor. Und der Erfolg gibt ihm Recht. Höflehner: "Bis jetzt hat er immer die Nase vorn gehabt."

(APA)

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