Das BIP pro Kopf liegt heute 45 Prozent unter dem BIP, wenn es keinen Krieg gegeben hätte. Besonders Kinder leiden unter den Auswirkungen des Konflikts.
Der Bürgerkrieg in Syrien hat nicht nur bis zu einer halben Million Menschen das Leben gekostet und 4,5 Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Der knapp fünf Jahre dauernde Konflikt sorgt im Land für Milliarden-Verluste. Die verlorenen Wachstumschancen belaufen sich bis jetzt auf 275 Milliarden US-Dollar (250,68 Mrd. Euro), schätzt die Hilfsorganisation World Vision in einem Bericht. Halte der Konflikt noch bis 2020 an, würden die Kosten auf 1,3 Billionen US-Dollar steigen.
"The Cost of Conflict for Children", ausgearbeitet von dem Beratungsunternehmen Frontiers Economics Europe, berechnet die aktuellen und zukünftigen wirtschaftlichen Verluste für Syrien, den Libanon, Jordanien und die Türkei durch den Krieg. Vor dem Konflikt habe Syrien ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von fast fünf Prozent pro Jahr aufgewiesen. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf liege aktuell 45 Prozent unter dem wahrscheinlichen BIP heute, wenn es keinen Krieg gegeben hätte.
Zwei Millionen Kinder ohne Schule
Besonders die Jüngsten würden unter den Auswirkungen des Krieges leiden. Die Zahl der Kinder, die in Syrien zur Schule gehen, habe sich in den vergangenen fünf Jahren halbiert. Zwei Millionen Kinder besuchen somit keine Schule, stellte die Hilfsorganisation fest. Auch bei einer Flucht in die Nachbarländer sei für die syrischen Kinder eine Schulbildung nicht gesichert. In Jordanien würden nur 50 Prozent der Flüchtlingskinder eine Schule besuchen, in der Türkei seien es 25 Prozent und im Libanon sogar nur 20 Prozent.
Den syrischen Kindern fehle es aber nicht nur an Bildung. Laut World Vision leiden sie unter Mangelernährung und einer fehlenden medizinischen Versorgung. Die verfügbaren Ressourcen würden immer knapper. In ihrer Verzweiflung müssten viele Familien schwerwiegende Entscheidungen treffen: Es komme zu Frühverheiratung und Kinderarbeit, um das Überleben der Familie zu sichern.
Auch Libanon leidet unter Wirtschaftsfolgen
Durch den Konflikt sei der Kapitalstock in Syrien in den vergangenen fünf Kriegsjahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Die Energieproduktionskapazität sei um 70 Prozent gesunken, die verarbeitende Industrie auf 35,4 Prozent geschrumpft, seit 2011 sei die Weizenproduktion um die Hälfte eingebrochen und die Arbeitslosenrate von 14,9 auf 52,9 Prozent gestiegen.
Aber nicht nur Syrien leide an den wirtschaftlichen Folgen des Krieges. Auch für die Nachbarländer ist der Konflikt laut dem Bericht spürbar: So liegt beispielsweise im Libanon das BIP pro Kopf aktuell 23 Prozent unter dem erwartbaren BIP pro Kopf ohne Krieg.
"Diese 275 Milliarden US-Dollar, die der Krieg die Wirtschaft in Syrien bereits gekostet hat, sind verlorenes Geld. Es wird nie mehr wiedergewonnen werden und nicht in Bildung, Gesundheit, gute Lebensbedingungen und eine sichere Zukunft für Kinder investiert werden können", sagte Conny Lenneberg, World-Vision-Regionalleiterin für den Nahen Osten und Osteuropa.
(APA)