Bildungsreform. Sonderregelung soll nur für Vorarlberg gelten, in Wien bleibt es beim vereinbarten 15-Prozent-Limit. In Vorarlberg wird schon eifrig an der Gesamtschule gebastelt, in Tirol wird auf grünes Licht vom Bund gewartet.
Wien/Innsbruck. Die Schul-Zurechtweisung durch den Wiener ÖVP-Chef, Gernot Blümel, in der „Presse“ lässt Vizekanzler Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner nicht auf sich sitzen. Im Gegenteil: Mitterlehner packte am Dienstag verbal das Rohrstaberl für den früheren ÖVP-Generalsekretär Blümel aus. „Von einem ehemaligen Generalsekretär sollte man erwarten, dass er in der Lage ist, Aussendungen zu lesen und zu würdigen“, so Mitterlehner vor kleiner Journalistenrunde nach dem Ministerrat.
Blümel hatte Mitterlehner kritisiert und verlangt, dass die paktierte Bindung der Gesamtschulversuche an maximal 15 Prozent der Schüler und Schulstandorte pro Bundesland auch für Vorarlberg gelte. Mitterlehner hatte zuvor hingegen zugestanden, Vorarlberg könne zur Gänze Modellregion sein.
Für die Bundesparteiführung handelt es sich um eine unnötige Aktion Blümels zur Profilierung. Die Aufregung sei „unangebracht“, erklärte Mitterlehner. Für Wien stehe die 15-Prozent-Grenze jedenfalls „nicht zur Disposition“, beruhigte er den Wiener ÖVP-Chef. Ihm gehe es nur darum, Vorarlberg die Realisierung der dort gewünschten Modellregion zu ermöglichen.
Gar kein Vorstandsbeschluss
Zu der an Mitterlehner und Vorarlbergs Landeschef, Markus Wallner, gerichteten Schelte Blümels, alle Mitglieder des Bundesparteivorstands müssten zu Beschlüssen stehen, merkte der ÖVP-Chef spöttisch an, er halte sich an Beschlüsse. Nachsatz: „In der Materie gibt es keinen Vorstandsbeschluss.“ Es gebe lediglich die Koalitionsvereinbarung zur Bildungsreform.
Während ÖVP-intern noch heftig diskutiert wird und auch innerhalb der Koalition noch keine Linie gefunden wurde, bereiten sich die gesamtschulaffinen Bundesländer – wie etwa Vorarlberg und Tirol – schon längst auf die ersten Schritte zur Einführung von Modellregionen vor. Mit der von Mitterlehner ins Spiel gebrachten Obergrenze von 5000 Schülern, die an einem Schulversuch zur Gesamtschule teilnehmen dürfen, könnte rein theoretisch sowohl in Vorarlberg als auch im Burgenland die AHS-Unterstufe aufgelöst werden. Mitterlehner will die Lockerung aber nur für Vorarlberg gelten lassen.
Vorarlberg: Gesamtschule 2025
Dort freuen sich alle Landtagsparteien. Man wartet schon lang nur noch auf grünes Licht vom Bund. Ein Projektplan liegt seit Monaten vor. Demnach soll die Umstellungsphase zehn Jahre dauern. Erst im zweiten Halbjahr 2025 soll die Gesamtschule auf ganz Vorarlberg ausgedehnt werden.
Im Nachbarbundesland Tirol freut man sich über die angedachte Lockerung für Vorarlberg: „Ich wünsche mir vor allem für Vorarlberg die Aufweichung“, sagt Bildungslandesrätin Beate Palfrader zur „Presse“. Ein flächendeckender Versuch sei in Tirol kein Thema. Aber: „Unsere Landesregierung hat sich auf zwei Modellregionen geeinigt: eine ist im Zillertal (sie besteht bereits, Anm.), die zweite mögliche Region wird sich nach dem Nationalratsbeschluss zeigen“, sagt die Landesrätin. Paktiert hat die Tiroler Landesregierung einen Modellversuch in Innsbruck. Für einen solchen müsste die ÖVP aber noch ein Zugeständnis machen. (ett/beba)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2016)