Und die Militärmusik spielte weiter

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Der neue Verteidigungsminister fordert zu Recht mehr Geld. Und er nimmt die Reformen des Vorgängers zurück. Das könnte unschöne Folgen haben.

Wie wichtig das Bundesheer ist, bemerkt man nie in friedlichen Zeiten und schon gar nicht im Budgetplan der Finanzminister, sondern nur im Notfall. Dieser ist im vergangenen Spätsommer eingetreten, als Tausende Flüchtlinge über die offenen Grenzen kamen und bewiesen, dass es mit der staatlichen Autorität nicht sehr weit her ist. Nach einigen Schrecksekunden wurden Österreichs Soldaten zu Hilfe gerufen, deren mangelnde Ausrüstung vor Ort keinem entging. Der mittelfristig ungeplante Einsatz brachte Ressort und Heer an den Rand der Kapazitäten. Und zeigte absurde Führungsprobleme auf, eine bestellte und zugesagte Gulaschkanone zur Versorgung vor Ort wurde beispielsweise erst nach einer halben Ewigkeit eingesetzt.

Aber irgendwie scheint das Heer immer noch zu funktionieren. Das ist eigentlich seltsam: Kein anderes Ressort wurde in den vergangenen Jahrzehnten so stiefmütterlich und ignorant behandelt, „aushungern“ ist ein starkes Wort, trifft im Fall der Landesverteidigung aber zu. Der politische Höhepunkt der staatlichen Beschädigung des Heeres war die Volksabstimmung über die Wehrpflicht, die zwecks Wählermobilisierung von Wiens Bürgermeister beschlossen worden war: Mit der Absage an dessen SPÖ-Forderung nach Einführung eines Berufsheers wurde das Militär von der Kanzlerpartei de facto fallen gelassen. Die ÖVP feierte ihren Erfolg, aber Mitleid mit dem SPÖ-geführten Verteidigungsressort hatte auch kein ÖVP-Politiker. Das Heer wurde aufgegeben.

An dieser Stelle sei kurz an die Klugheit der Wähler erinnert: Sie stimmten auch im Wissen gegen ein prinzipiell vernünftiges Berufsheer, dass ein solches nur Sinn hat, wenn es entsprechend dotiert wäre. Was die Regierung nie getan hätte. Vor allem: Die damals richtige Analyse, ein friedliches Europa könnte sich mit Gipfelbeschlüssen und US-Freunden vor jeder Unbill schützen, war bald überholt. Der Ukraine-Konflikt und Tausende Flüchtlinge an den Grenzen zeigen: Vielleicht braucht Österreich keine schweren Panzer mehr, ein einsatzbereites Heer in einer kritischen Größe sehr wohl. (Was in der professionelleren Variante eben viel teurer wäre.) Kurz: Direkte Demokratie ist den Österreicher sehr wohl zuzutrauen. Das Heer braucht auf jeden Fall mehr Budget, so es an den Grenzen weiter gebraucht wird und wir andere größere Einsätze in den kommenden Jahren nicht ausschließen können. Daher hat der neue Verteidigungsminister, Hans Peter Doskozil, mit seiner Forderung völlig recht. Komplexer ist die andere Ankündigung des kompetenten neuen Ministers: Er will das Heer umkrempeln, wie es hemdsärmelig formuliert wurde, aber auch mehrere Reformen des Vorgängers zurücknehmen, die eben erst von den Regierungsparteien beschlossen wurden.

Das betrifft etwa den Verkauf von Kasernen, ja sogar die fidelen Militärmusikkapellen in den Ländern könnten bleiben. Das könnte eine gefährliche Signalwirkung haben: Die ohnehin großteils vom Napoleon-Syndrom geplagten Landeshauptleute werden dies als klare Aufforderung verstehen: Egal, wie richtig eine Veränderung und eine Einsparung wären, die Länder können alles blockieren und irgendjemand wird sogar einen Nationalratsbeschluss in der Verlängerung umdrehen. Doskozils Vorgänger, Gerald Klug, war vielleicht nicht diplomatisch, aber konsequent in der Umsetzung des Sparpakets. Dies zu desavouieren heißt auch künftige Reformen und Einschnitte generell zu erschweren.


Schlauer sind Doskozils Ideen, die Position des Generalstabschefs aufzuwerten, um dem obersten Militär auch ein Weisungsrecht über zivile Sektionen im Ministerium zu geben. Auch gut: im Streitkräfteführungskommando mittels Teilung die Befehlskette zu kürzen. Dass der Anteil der rasch einsatzbereiten Berufs- und Zeitsoldaten auf längere Sicht von 2200 auf 6000 erhöht werden soll, ist ebenfalls beruhigend.

Dass es im Heer weiterhin echter Reformen bedarf, wird hoffentlich keiner ernsthaft leugnen: Die Losung „Zu viele Häuptlinge, zu wenige Indianer“ bleibt etwa ein zentrales Problem. Der neue Oberhäuptling darf das nicht vergessen.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2016)

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