AUA: Der fliegende Größenwahn

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Sollte die AUA in die Pleite schlittern, sind die Schuldigen weder in Brüssel noch in Frankfurt zu suchen. Über viele Jahre hinweg hatte der Staat als größter AUA-Aktionär die Möglichkeit einzulenken.

Langsam, aber sicher werden sich die Österreicher wohl mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass eines ihrer großen Heiligtümer den Bach runtergeht. Die Austrian Airlines sind 51 Jahre nach ihrer Gründung wirtschaftlich am Ende. Das ist unerfreulich und enttäuschend zugleich. Unerfreulich, weil die Chancen einer Rettung durch die deutsche Lufthansa seit vergangenem Freitag nur mehr unwesentlich über null liegen. Die EU-Kommission fordert im Falle einer Übernahme die Abgabe von AUA-Flugrechten nach Deutschland, was die Lufthansa mit dem Hinweis ablehnt, dass sich der Deal dann für sie nicht mehr rechne.

Enttäuschend ist das Ende der AUA, weil das immer wahrscheinlicher werdende Konkursszenario weder einer ungünstigen Planetenkonstellation noch einer gnadenlosen EU-Kommission noch einer geldgierigen Lufthansa-Führung zu verdanken ist. Sondern der gelebten Realitätsverweigerung politischer und wirtschaftlicher Entscheidungsträger in Österreich.

Über viele Jahre hinweg hatte es der Staat als größter AUA-Aktionär in der Hand, dem Management der Fluglinie den klaren Auftrag zu geben, aus einer überdimensionierten und gewerkschaftsnahen Airline ein wettbewerbsfähiges, zukunftsträchtiges Unternehmen zu machen. Darauf wurde aus Rücksicht auf die Belegschaft verzichtet. Stattdessen wurde alles Menschenmögliche unternommen, um die „Eisenbahn der Lüfte“ in ihrer vollen Pracht zu erhalten. Etwa, als im Jahr 2003 die Sozialpartner ausrückten, um einen Streik der AUA-Belegschaft gegen einen leicht verschlechterten Kollektivvertrag „niederzustreicheln“.


Rot-weiß-roter Fetisch. Noch vor einem Jahr wollten hochrangige Regierungsvertreter von einer Sanierung oder gar einem Verkauf der AUA nichts wissen. Vielmehr wurde der wirtschaftlich schwer gezeichneten Fluglinie vom Bundeskanzler abwärts eine segensreiche Zukunft prophezeit. Selbst jungfräuliche Luftfahrtexperten konnten längst erkennen, dass die rasant wachsenden Verluste Schlimmes befürchten lassen, als Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Finanzminister Wilhelm Molterer noch im Mai 2008 auf eine eigenständige rot-weiß-rote AUA pochten.

Flankierend erteilte der damalige Verkehrsminister Werner Faymann einer von Luftfahrtexperten dringend empfohlenen Partnerschaft mit der Lufthansa eine „klare Absage“. Wer braucht schon die Deutschen? Heimische Topmanager warnten zur selben Zeit eindringlich vor dem drohenden Schaden, den der Wirtschaftsstandort Österreich zu erleiden habe, sollte die AUA ihre Eigenständigkeit verlieren.

Vermutlich hat die aufkeimende Sorge, auf den Reisen nach Osteuropa künftig etwas öfter umsteigen zu müssen, den Managern den Blick auf die unerfreulichen Geschäftszahlen der Austrian Airlines verstellt. Erklären konnte den „drohenden Schaden“ nämlich niemand. Schließlich musste weder in den Niederlanden noch in der Schweiz der ökonomische Notstand ausgerufen werden, nachdem die nationalen „Carrier“ von ausländischen Fluglinien geschluckt wurden.

Im Mai des Vorjahres wäre wohl auch der letztmögliche Zeitpunkt für das AUA-Management und die ÖIAG-Führung gewesen, die Reißleine zu ziehen und um Auflösung ihrer Verträge zu ersuchen. Weil die Manager wissen mussten, dass der von der Politik diktierte Alleingang verheerende wirtschaftliche Folgen haben wird. Sieben Monate später war auch klar, dass der rot-weiß-rote Stolz der Lüfte allein im Jahr 2008 knapp 430 Millionen Euro „verflogen“ und über 1,9 Milliarden an Schulden angehäuft hat. Mittlerweile ist die AUA laut EU-Verkehrskommissar Antonio Tajani auf weitere Staatshilfen angewiesen.

Mit Ausnahme des Anfang 2008 von Bord gegangenen Finanzvorstands Thomas Kleibl wurde sitzen geblieben. Womit das AUA-Management und die Führung der Verstaatlichtenholding ÖIAG die Verantwortung der Politik auch zu ihrer machten.


Wien ist nicht New York. Für einen dauerhaften Alleingang der Austrian Airlines hätte vermutlich auch eine vor Jahren begonnene Sanierung nicht gereicht. Dazu fehlt es schlicht und ergreifend an potenziellen Passagieren. Wien ist eben weder New York noch London noch Paris. Allerdings wäre dem Staat im Falle einer Sanierung die Abdeckung horrender Verluste erspart geblieben. Zudem hätte ein Verkauf vielleicht noch ein Geschäft werden können – heute muss die Republik Österreich dankbar sein, wenn sie ihre Fluglinie notverschenken darf.

Dieses „Verkaufs“-Prozedere folgt übrigens einem in der staatsnahen Wirtschaft beliebten Muster: Verkauft wird, wenn es längst zu spät ist und die Preise im Keller sind. Wird ein Staatsbetrieb aufgrund politischer und gewerkschaftlicher Widerstände nicht saniert, fällt er kurz vor der Pleite günstigst privaten Bietern in die Hände. Diese päppeln den an die Wand gefahrenen Exstaatsbetrieb auf, führen ihn ordentlich, wodurch der Wert des Unternehmens rasch nach oben schnellt. Das ist dann jener Zeitpunkt, an dem Gewerkschaften und SPÖ-Politiker „viel zu billig verkauft“ heulen.

Wird ein Staatsbetrieb allerdings bei gutem Wind zum Verkauf ausgeschrieben, droht ein Volksaufstand. „Ausgerechnet jetzt wollen wir Familiensilber verscherbeln? Jetzt, wo der Staat mit Dividenden so gut verdient?“ Das geht so lange, bis der noch Gewinne schreibende Staatsbetrieb aufgrund von Managementfehlern und/oder externen Schocks tief in die Verlustzone rutscht und entweder günstig abgestoßen oder mit Steuermitteln aufgefangen werden muss.

Sind die Bilanzen wieder in Ordnung, geht das Theater von vorn los: Gewerkschafter setzen bei politischen Eigentümern Rechte durch, die kein Kunde zu zahlen bereit ist. Das Geschäft läuft schlechter, die Verluste häufen sich und werden so lange schöngeredet, bis das gerade sanierte Unternehmen wieder als Pleitefall vor der Tür steht.


Geordnete Insolvenz. Nicht zuletzt deshalb ist der nun in der Regierung kursierende Plan, der AUA einmal mehr frisches Geld zuzustecken, keine wirklich gute Idee. Besser wäre es, die AUA im Falle einer gescheiterten Übernahme durch die Lufthansa einer geordneten Insolvenz zuzuführen. In diesem Fall könnte eine „Austrian neu“ ohne Altlasten (wie unfinanzierbare Kollektivverträge und Schulden) bei null beginnen und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden – in saniertem Zustand.

Klar ist, dass Reiseziele auch künftig von Wien aus direkt angeflogen werden – wenn die Nachfrage entsprechend groß und der Flieger gut gefüllt ist. Mit oder ohne AUA.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2009)

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