Die Zinssenkung der EZB sorgte kurzzeitig für Euphorie auf den Finanzmärkten. Die Begeisterung verpuffte jedoch rasch wieder, einige Indizes drehten deutlich ins Minus.
Wien. Vor dem Zinsentscheid am gestrigen Nachmittag war die Nervosität an den Börsen hoch. Denn die Erwartung, dass EZB-Chef Mario Draghi am Donnerstag weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen verkünden würde, galt bereits als eingepreist. Würden die Währungshüter in Frankfurt die hohen Erwartungen des Markts noch einmal toppen können?
Sie konnten zunächst. Die Europäische Zentralbank erhöhte nämlich nicht nur den Strafzins für Banken, die ihr Geld bei der EZB parken, von 0,3 auf 0,4 Prozent (sie senkt also den sogenannten Einlagenzins vom minus 0,3 auf minus 0,4 Prozent). Sie weitete nicht nur ihr milliardenschweres Kaufprogramm für Staatsanleihen und andere Wertpapiere aus – statt 60 Mrd. Euro will die Notenbank ab April 80 Mrd. Euro pro Monat in den Markt pumpen.
Sorge um Konjunktur
Erstmals in der Geschichte senkte die Zentralbank auch den Leitzins von 0,05 auf null Prozent. Diese vor allem symbolträchtige Senkung ließ den Euro zum Dollar und zum Franken zunächst abrutschen, die Aktienmärkte schnellten dafür in die Höhe. Der DAX näherte sich schon der 10.000-Punkte-Marke, als Draghi bei seiner Pressekonferenz etwas sagte, was die Euphorie deutlich abkühlte: Die Notenbank, so betonte Draghi, sehe derzeit keinen Grund für weitere Zinssenkungen. Daraufhin zog der Euro wieder an, die Börsen gaben einen Teil ihrer Gewinne wieder ab, einige Indizes drehten ins Minus.
In den darauffolgenden Stunden setzte Ernüchterung ein. Viele Marktteilnehmer fragten sich, ob die EZB nun ihr letztes Pulver verschossen habe. Auch wuchs die Sorge, dass es um die Konjunktur noch schlimmer bestellt sein könnte als gedacht, wenn die Zentralbank zu solchen Maßnahmen greifen müsse. Wie ambivalent der EZB-Schritt aufgenommen wurde, zeigte auch die Entwicklung der Bankaktien: Zunächst setzten sie sich auf die obersten Plätze der Kurszettel: Société Générale, Deutsche Bank, ING und BNP Paribas zogen den Eurostoxx-50 nach oben. Binnen weniger Stunden gaben sie einen Gutteil der Gewinne aber wieder ab. Was den Anlegern zunächst gefallen hat: Ab Juni sollen vier spezielle, besonders günstige Kreditlinien für die Finanzinstitute mit einer Laufzeit von vier Jahren aufgelegt werden. Allerdings dürfte der höhere Einlagenzins den Geldhäusern zu schaffen machen. Einen Tag vor der Zinssenkung hat der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Georg Fahrenschon, die EZB vor einem solchen Schritt gewarnt. Sollten die Notenbanker entscheiden, den Strafzins für Banken weiter zu senken, könnten für Millionen Bankkunden die Gebühren steigen, meinte er. Auch an der Wiener Börse setzte rasch Ernüchterung ein: Der ATX war mit einem negativen Vorzeichen in den Tag gegangen, hatte nach der Zinssenkung ins Plus gedreht und lag am späten Nachmittag wieder im Minus.
Buwog gibt nach
Einer der größten Verlierer in Wien war die Buwog: Das hatte aber nichts mit der EZB zu tun, sondern mit der Tatsache, dass die Immofinanz zehn Millionen Inhaberaktien der Buwog platziert hat. Der Verkaufspreis betrug 17,1 Euro pro Aktie und lag unter dem gegenwärtigen Kurs. Die Analysten von der Baader Bank sehen das dennoch positiv, da der Streubesitz der Buwog dadurch erhöht werde. Kurzfristig könnte die Platzierung jedoch auf den Kurs drücken.
Die Wall Street startete im grünen Bereich, drehte dann aber ebenfalls ins Minus. Gute Nachrichten vom US-Arbeitsmarkt änderten daran wenig.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2016)