SPÖ-Klausur: Offener Angriff auf Faymann

 Unerwartet: Protest von Junggenossen während der Rede von SPÖ-Chef Werner Faymann.
Unerwartet: Protest von Junggenossen während der Rede von SPÖ-Chef Werner Faymann.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Das Flüchtlingsthema überschattete die Klausur der Wiener SPÖ und legte Gräben in der Partei offen.

Wien. Das Bild sprach Bände. Bürgermeister Michael Häupl blickte ernst vom Podium. Daneben saß Sozialstadträtin Sonja Wehsely mit gesenktem Blick. Bildungsstadträtin Sandra Frauenberger war so ernst wie Finanzstadträtin Renate Brauner, die mit versteinerter Miene neben Häupl saß.

„Die Sozialdemokratie ist eine lebendige Partei“, versuchte SPÖ-Klubchef Christian Oxonitsch noch eine elegante Einleitung für die Pressekonferenz zu finden – nach dem harten Schlagabtausch und einem offenen Angriff von Genossen auf Bundesparteichef Werner Faymann: „Es ist eine sehr lebendige Wiener Sozialdemokratie“, ergänzte Häupl, der die Kurve, die Oxonitsch zu kratzen begonnen hatte, fortsetzte: „Eine Sozialdemokratie, die grundsätzlich übereinstimmt, auch wenn es unterschiedliche Auffassungen gibt, dass wir im internationalen Kontext eine europäische Lösung brauchen.“

„Abpfiff für Faymann“

Manche mochten in den Gesichtern auf dem Podium Anflüge von Verärgerung erkennen, manche von Frustration. Ein Lächeln war am Donnerstagnachmittag nicht zu sehen, als die rote Führungsriege während der Klubklausur der Wiener SPÖ am Donnerstagnachmittag vor die Medien trat. Das hatte nichts damit zu tun, dass die traditionelle SPÖ-Tagung von dem gewohnten Tagungsort im burgenländischen Rust in eine abgeschlossene Veranstaltungshalle im 21. Wiener Gemeindebezirk verlegt wurde. Auslöser war eine Eigendynamik, die sich während der Klubsitzung entwickelt hatte. Und in deren Verlauf Bundesvorsitzender und Bundeskanzler Werner Faymann von Teilen der roten Wiener Basis öffentlich massive Kritik und Vorwürfe („rechte Politik“) einstecken musste, die ihn nach der Diskussionsrunde bewog, aufgebracht wieder an das Rednerpult zu treten und seinen Kritikern völlig empört entgegenzudonnern: „Der gemeinsame Gegner ist die FPÖ. Umso wichtiger ist es, dass wir, wenn auch nicht zu 100 Prozent, als Sozialdemokraten erkennbar sind.“ So hatte man Faymann, sichtlich von den Vorwürfen getroffen, selten erlebt.

Dass es Meinungsverschiedenheiten auch innerhalb der Wiener SPÖ über die Willkommenskultur gibt, ist bekannt. Dass die Sitzung zu einem derartig offenen Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern der Willkommenskultur kommen würde, welcher die Projekte der Klausur völlig überschattet, war allerdings nicht erwartet worden. Begonnen hatte es, als Faymann auf die Bühne ging. Kaum hatte er zum Mikrofon gegriffen, begannen mehrere Mitglieder der roten Jugendorganisationen lautstark mit Trillerpfeifen zu protestieren und über Schilder einen Frontalangriff auf Faymann zu starten, weil er die Sperre der Balkanroute verteidigt hatte: „Des gibt a Blaue“, „Abpfiff für Faymann“, „Raus aus dem rechten Eck“, „Spielerwechsel“. Faymann konterte: „Wir haben im Vorjahr 90.000 aufgenommen und heuer 37.000.“ Jetzt habe Österreich das Recht zu sagen, nun seien andere dran. Provokanter Nachsatz, in Richtung der Protestierenden: „Da können Sie noch so lang die Schilder in die Höhe halten.“

Die Sperre der Balkanroute verteidigte Faymann emotional: Man müsse die Wahrheit sagen, falls der Flüchtlingsansturm ungebremst weitergeht: „Das schaffen wir nicht. Diese Ehrlichkeit vermisse ich.“ Denn wer das Gegenteil sage, belüge die Menschen: „Und ich belüge sie nicht.“ Lautstarke Proteste waren die Folge, Gemeinderätin Tanja Wehsely richtet später Faymann aus: Sie habe nicht damit gerechnet, dass der eigene Bundesparteivorsitzende den Protestierenden vorwerfe, Menschen anzulügen.

Häupls Rettungsversuch

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser sprang für Faymann in die Bresche: Wer Faymann einen rechten Kurs vorwerfe, kenne dessen Aussagen zum Flüchtlingsthema nicht. Und Häupl versuchte danach zu retten, was noch zu retten war: „Wir befinden uns in einem Diskussionsprozess, den wir hoffentlich beim Landesparteitag abschließen.“

In Richtung der lautstarken Proteste mit den Trillerpfeifen meinte Häupl: „Diskutieren tut man nicht mit Pfeiferln, sondern mit Leut'.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2016)

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