Sinn: Verschuldete Euro-Länder nutzen EZB "hemmungslos" aus

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Der Ökonom Hans-Werner Sinn geht mit der EZB-Zinspolitik hart ins Gericht. Sie sei verbotene Subventionierung zur "Stützung von Zombie-Banken und konkursgefährdeten Staaten".

Führende deutsche Ökonomen haben die Zinsentscheidungen der EZB scharf kritisiert. Dass die Europäische Zentralbank nun Geld zu einem Negativzins von bis zu 0,4 Prozent an die Banken verleihe, sei eine verbotene Subventionspolitik zur "Stützung von Zombie-Banken und konkursgefährdeten Staaten", sagte der Präsident des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, Hans-Werner Sinn, der "Bild"-Zeitung. Sinn warf Euro-Ländern, die netto im Ausland verschuldet sind vor, ihre Stimmenmehrheit im EZB-Rat „hemmungslos“ auszunutzen, „um sich die Zinskonditionen so zurecht zu zimmern, dass sie passen.“

Feld: EZB-Politik wirkungslos

Der Wirtschaftsweise Lars Feld sagte dem Blatt, die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) werde immer wirkungsloser. "Wir sehen, dass Länder wie Italien trotz des Zinstiefs keine Reformen durchführen und Ausgaben eher noch erhöhen." Daran würden auch die neuen Maßnahmen nichts ändern. Die EZB hatte am Donnerstag völlig überraschend den Leitzins auf 0,0 Prozent gesenkt und will noch mehr Milliarden in die Märkte pumpen und Banken extrem billige Kredite zur Verfügung stellen.

Der Präsident des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Clemens Fuest, warnte, dass die Risiken wie Blasen an Immobilien- und Anleihenmärkten sowie die Schwächung der Banken größer seien als die Chancen, über die beschlossenen Maßnahmen die Konjunktur anzuschieben. "Die EZB hat ihr Pulver verschossen", sagte Fuest der "Bild".

"Frontalangriff auf die Sparer"

Der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, Wolfgang Gerke, sprach von einem "Frontalangriff auf alle Sparer". Die EZB fahre "einen hochriskanten Kurs", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Freitagsausgabe). Gerke warnt davor, dass sich Blasen bilden könnten, weil die Bürger sich sehr günstig Kredite besorgen könnten. "Es braucht nur ein ungünstiges Ereignis - und plötzlich reagieren die Märkte über." Dies könne auch in Deutschland zu "einem Crash führen, wie wir ihn zuletzt in den USA erlebt haben". Auch dort seien die Immobilienmärkte wegen einer ganz ähnlichen Notenbankpolitik heiß gelaufen.

Der Ökonom Marcel Fratzscher, Chef des DIW-Instituts, meinte dagegen am Donnerstag: „Das anhaltende Risiko der Deflation und die sich abschwächende europäische Wirtschaft lassen der EZB keine andere Wahl, als ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Es sollte nicht vergessen werden - bei allen Sorgen in Deutschland über die Nebenwirkungen der expansiven Geldpolitik -, dass es Aufgabe der EZB ist, Geldpolitik für die Eurozone und nicht nur für Deutschland zu machen.“

>>> Bericht auf "Bild.de"

(APA/Red.)

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