UN-Vermittler de Mistura beschwor Syriens Regierung und Opposition, sich um eine Lösung des Konflikts zu bemühen. Doch bei den Genfer Verhandlungen blieben die Positionen beider Seiten zunächst völlig konträr.
Genf. Es ist ein erneuter Versuch, doch noch eine Lösung für den Konflikt in Syrien zu finden. Nach mehr als einem Monat Unterbrechung startete am Montag eine neue Runde der Syrien-Friedensgespräche in Genf. Die Vertreter der syrischen Regierung haben dabei ein Grundsatzdokument für die weiteren Verhandlungen mit dem Titel „Grundlegende Elemente für eine politische Lösung“ vorgelegt. UN-Sondervermittler Staffan de Mistura erklärte dazu zunächst, Syrien habe einige Ideen vorgestellt, die er jedoch nicht kommentieren werde. Die Gespräche steuern auf eine „Stunde der Wahrheit“ hin, so de Mistura. „Der einzige Plan B, der zur Verfügung steht, ist die Rückkehr zum Krieg, und zwar schlimmer als bisher.“
Doch Syriens Regierung und die Opposition gingen in die von der UNO vermittelten Verhandlungen mit völlig konträren Positionen, die erneut ein baldiges Scheitern der Gespräche befürchten ließen. Mohammed Alloush, der islamistische Chefunterhändler des Oppositionsbündnisses Hoher Verhandlungsrat (HNC), erklärte bei seiner Ankunft in Genf, dass ein politischer Neuanfang in Syrien nur ohne Präsident Bashar al-Assad möglich sei. „Wir glauben, dass eine Übergangszeit mit dem Sturz oder Tod Assads beginnen sollte.“ Ein Übergangsprozess sei „nicht möglich in der Gegenwart dieses Regimes, oder solange der Kopf dieses Regimes noch an der Macht ist“.
Syriens Außenminister, Walid al-Muallem hatte dagegen am Wochenende betont, seine Regierung werde mit niemandem reden, der Assad als Präsidenten infrage stelle. Wenn der HNC an seiner Forderung festhalte, brauche er „gar nicht erst nach Genf zu reisen“.
Außenminister gegen rasche Wahlen
Zudem wies der Außenminister das von UN-Sondervermittler Staffan de Mistura bekräftigte Ziel von Präsidenten- und Parlamentswahlen in Syrien in spätestens 18 Monaten zurück: „Weder der UN-Sondervermittler noch sonst irgendjemand hat das recht, Präsidentenwahlen zur Sprache zu bringen. Die Wahlen sind das exklusive Recht des syrischen Volkes. Was de Mistura sagt, widerspricht daher allen UN-Dokumenten, auf die sich der bevorstehende Dialog stützt.“ Diese Darstellung des syrischen Außenministers ist aber falsch. Der vom UN-Sicherheitsrat am 22. Dezember vergangenen Jahres einstimmig abgesegnete Friedensplan für Syrien, die völkerrechtliche Grundlage für die Genfer Gespräche, sieht nach einem Waffenstillstand Verhandlungen über die Bildung einer Übergangsregierung aus Vertretern von Regierung und Opposition bis spätestens Mitte 2016 vor, und die Erarbeitung einer neuen Verfassung durch diese Übergangsregierung sowie von der UNO überwachte Präsidenten- und Parlamentswahlen in spätestens 18 Monaten, also etwa Mitte des Jahres 2017. Die USA und Russland sowie UN-Vermittler de Mistura hatten sich bisher bemüht, die Frage nach der künftigen Rolle Assads erst einmal aus dem Verhandlungsprozess auszuklammern und in den nächsten Wochen zunächst eine Einigung zwischen den Konfliktparteien über die Bildung einer Übergangsregierung herbeizuführen.
Streit um Assads Zukunft
Sollte die Regierungsdelegation in Genf unter Leitung des syrischen UN-Botschafters, Bashar al-Jaafari, allerdings darauf bestehen, dass Assad der Übergangsregierung angehören soll, könnten die Gespräche schon bald wieder platzen. Denn sämtliche säkularen und islamistischen, politischen und bewaffneten Oppositionsgruppen Syriens sind sich bei allen Kontroversen untereinander in einer Forderung einig: dass Assad spätestens bei der Etablierung der Übergangsregierung die Macht abgeben muss.
FRIEDENSGESPRÄCHE IN GENF
Nach etwa einem Monat Unterbrechung begann am Montag eine neue Runde der Syrien-Friedensgespräche in Genf. Unter der Leitung von UN-Vermittler Staffan de Mistura kommen Vertreter des Regimes mit der Opposition zusammen, um über eine Lösung für das Land zu verhandeln, in dem im März vor fünf Jahren der Aufstand gegen Machthaber Bashar al-Assad begonnen hat. Assads Zukunft gehört nach wie vor zu den zentralen Streitfragen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2016)