Kärnten unter Kuratel

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Die drohende Pleite Kärntens wirft viele Fragen auf. Ein Insolvenzrecht für Länder und Gemeinden könnte Rechtssicherheit schaffen – aber auch die Kärntner Regierung völlig entmündigen.

Wien. Er nehme das Scheitern des Rückkaufangebots mit Bedauern zur Kenntnis, erklärte Finanzminister Hans Jörg Schelling Montagmittag, wenige Minuten nachdem offiziell geworden ist, was bereits seit Freitagabend klar war: Deutlich weniger als die notwendigen zwei Drittel der Gläubiger der Hypo-Bad-Bank Heta haben das vom Bund unterstützte Angebot Kärntens, die landesgarantierten Anleihen zu 75 Prozent des Wertes zurückzukaufen, angenommen.

„Jetzt ist daher wieder die FMA am Zug“, so Schelling. Die Finanzmarktaufsicht wird aller Voraussicht nach im April einen Schuldenschnitt verfügen. Dieser werde wesentlich „dramatischer“ ausfallen – erwartet wird ein Schnitt auf eine Quote von nur 45 Prozent. Die Folge dürfte eine Vielzahl von Klagen gegen die Heta und Kärnten sein. „Das ist nun ein Fall für die Gerichte. Das bringt dann wenigstens Rechtssicherheit“, so der Finanzminister.

Für die größte Unsicherheit sorgt die Frage, was die Pleite eines Bundeslandes genau bedeutet. Sicher ist, dass das Land weiter existieren darf, auch wenn es zahlungsunfähig ist. Was aber zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit verwendet werden darf und was die Gläubiger bekommen, ist unklar. Während der Verfassungsrechtler Heinz Mayer meint, aus dem Zwei-Milliarden-Euro-Budget des Landes sei eine Milliarde pfändbar, kommen die Zivilrechtler Georg Kodek und Michael Potacs in einem Gutachten für das Land zur Auffassung, dass für die Gläubiger fast gar nichts zu holen sei.

Staatskommissär nach Kärnten

Das lässt den Ruf nach einer gesetzlichen Regelung laut werden – vor allem bei der Opposition. „Da soll Ordnung hineinkommen“, sagt der Grüne Werner Kogler. Ein Gesetz könne die Grenze ziehen und aufzählen, was in die Masse kommt. Auch Rainer Hable von den Neos ist für Klarstellungen – und setzt auf die abschreckende Wirkung: Länder und Gemeinden könnten dann nicht mehr damit rechnen, dass der Bund sie herausboxen werde.

Dringend notwendig „im Interesse der Rechtssicherheit“ hält Kodek ein eigenes Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften – und er hat auch klare Vorstellungen, wie dieses aussehen müsste. Wichtig seien nämlich nicht nur Präzisierungen, was in die Insolvenzmasse fällt, sondern auch der Aufbau von staatlichen Aufsichtsmaßnahmen.

Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste lautet: Ein Ministerium wird für die Abwicklung zuständig. Dieses würde dann einen Staatskommissär nach Kärnten schicken, der weitreichende Entscheidungen treffen kann – beispielsweise, welche Gebäude, Fahrzeuge und sonstige Mittel für die Aufrechterhaltung der staatlichen Aufgaben notwendig sind.

Die zweite Möglichkeit: Die Entscheidung wird direkt beim Verfassungsgerichtshof angesiedelt. Das hätte den Vorteil, dass dieser sofort rechtsgültige Entscheidungen treffen könnte. Und er könnte auch gleich Landesgesetze aufheben, wenn diese dazu dienen, den Gläubigern Vermögenswerte zu entziehen. Am Beispiel Kärntens: Die beiden wesentlichen Vermögenswerte, die Anteile an der Kelag und der Zukunftsfonds, sind durch Landesgesetze geschützt, ein Insolvenzgericht kann diese nicht so einfach verwerten. Beide Varianten würden jedenfalls bedeuten: Das Land würde praktisch unter Kuratel gestellt. Das sei politisch heikel, räumt Kodek ein. Die Erfahrung aus rund 500 Insolvenzen von Gebietskörperschaften in den USA habe aber gezeigt, dass dies ein praktikabler Weg sei.

Die Koalition ist noch nicht überzeugt. Kai Jan Krainer von der SPÖ will über ein Insolvenzrecht zwar nachdenken, sieht es aber als zweischneidiges Schwert: Dadurch könne auch das Vertrauen in staatliche Einrichtungen verloren gehen. Schelling will keine Anlassgesetzgebung machen, steht einem Gesetz aber grundsätzlich positiv gegenüber. Aufgrund der langen Gerichtsverfahren hätte man auch nach Auslaufen der Haftungen 2017 noch genug Zeit dafür, so Schelling.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2016)

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