Der Kampf zwischen Afghanen und Tschetschenen in Wien hatte laut Polizei nichts mit Bandenkriminalität zu tun. Probleme will man "im Keim ersticken".
Wien. Die Mutter zu beleidigen zählt unter Afghanen offenbar zu den absoluten Tabubrüchen. Laut Polizei war eine derartige Ehrenbeleidigung via Facebook der Grund, warum sich 50 jugendliche Afghanen vergangene Woche aufmachten, um in der Brigittenau vor einem Jugendzentrum auf eine Gruppe tschetschenischer Jugendlicher loszugehen – mit Messern, Latten und Schlagringen.
Zwei Personen wurden lebensgefährlich, fünf weitere schwer verletzt – sieben Personen sitzen in U-Haft. Mit Bandenkriminalität hatte das aber laut Einschätzung der Polizei nichts zu tun, sagt der Wiener Oberstleutnant Robert Klug am Dienstag in einem Hintergrundgespräch. Auch politische, religiöse oder ethnische Konflikte wären nicht erkennbar. Es hätte sich hier eher um einen Territorialkampf gehandelt. Dass Tschetschenen mit Afghanen generell ein Problem hätten, könne die Polizei aber nicht bestätigen.
Auffällig ist freilich: Auch in Salzburg, Graz, Wels, Linz und St. Pölten ist es bereits zu Massenschlägereien zwischen den beiden Gruppen gekommen – „Die Presse“ berichtete. Auch in Wien kam es bereits mehrmals zu größeren Ausschreitungen – vergangenen Sommer gab es vor allem im Bereich der Venediger Au in der Leopoldstadt mehrmals Auseinandersetzungen mit Dutzenden Personen.
Auch scheinen beide Gruppen nicht die beste Meinung voneinander zu haben. „Die Afghanen gelten als brutal, sie kennen keine Regeln, keine Ehre – das sind wilde Hunde. So sehen wir das“, sagt Mansur, ein Tschetschene, im Gespräch mit der „Presse“ am Praterstern. Nur wenige Meter weiter steht Aziz mit einer Gruppe Männern. Er sagt, er komme aus Afghanistan. Angesprochen darauf, was man sich von Tschetschenen erzähle und was er von ihnen hält, sagt er: „Man weiß, dass mit denen nicht zu spaßen ist, die sind skrupellos und brutal. Die haben Waffen – ich brauch die Typen nicht.“
Im Visier der Polizei
Auch wenn die Schlägerei am Handelskai nicht der Bandenkriminalität zugeordnet wird, sehe die Polizei doch wachsende Probleme mit den Afghanen, die vor allem im Drogenhandel aktiv seien, sagt Klug. Ähnlich, wie man es vor einiger Zeit mit den Tschetschenen gemacht hat, will sich das Referat für Bandenkriminalität der Landespolizei Wien nun dieser Gruppe ausführlich widmen, ihre Strukturen ausforschen und Akteure ermitteln. Klug: „Wir sehen hier Tendenzen und wollen das Problem im Keim ersticken.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2016)