Oberstufe: Auch HTL wollen Aufschub

Erst im Herbst 2019 soll es die neue Oberstufe, in der das Sitzenbleiben weitgehend abgeschafft wird, flächendeckend geben.
Erst im Herbst 2019 soll es die neue Oberstufe, in der das Sitzenbleiben weitgehend abgeschafft wird, flächendeckend geben.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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BMHS. Nachdem das Bildungsressort den AHS erlaubt, den Start der neuen Oberstufe um bis zu zwei Jahre zu verzögern, wollen nun auch die berufsbildenden Schulen eine Verschiebung.

Wien. Die Geschichte der geplanten neuen Oberstufe ähnelt mittlerweile jener der Zentralmatura: Beide wurden als große Reform angepriesen – und standen schon bald nach ihrer Verkündung in der Kritik. Schlechte Vorbereitung lautete der Vorwurf. Die Folge war bzw. ist in beiden Fällen eine Verschiebung. Die Premiere der Zentralmatura ist (zumindest an den AHS) geglückt. „Die Presse“ hat sich angeschaut, welche Stolpersteine im Fall der neuen Oberstufe auf dem Weg zu einem gelungenen Start – der um bis zu zwei Jahre hinausgezögert werden kann – noch ausgeräumt werden müssten.

1 Warum wird die neue Oberstufe nun eigentlich verschoben?

Es gab Kritik. Zuerst vonseiten der Elternvertreter: Es gebe einige Baustellen. So würden die vorgesehenen Lernbegleiter, die die Schüler im Fall einer Frühwarnung unterstützen sollen, vielerorts fehlen. Das ist nicht unerheblich, zumal das Sitzenbleiben durch die neue Oberstufe weitgehend abgeschafft wird (siehe Punkt 3). Die Elternvertreter warnten auch davor, dass die neue Oberstufe mehr Schulabbrecher produzieren könnte. Denn Schüler müssten ihre gesammelten negativen Module vor der Matura noch positiv abschließen – wenn sie sich eigentlich der vorwissenschaftlichen Arbeit und der Maturavorbereitung widmen sollten. Kritik kam auch von AHS-Administratoren. Sie beklagten, dass mit dem derzeitigen Schülerverwaltungsprogramm ein Wechsel in die neue Oberstufe nicht möglich sei. Zeugnisse könnten nicht entsprechend ausgedruckt und Prüfungen nicht dokumentiert werden. Das Bildungsressort gab dem Druck am Montag nach. Die neue Oberstufe wird nicht wie geplant ab Herbst 2017 Pflicht sein.

2 Dürfen nur Gymnasien verschieben oder auch die BMHS?

Vorerst erhalten nur die Gymnasien die Möglichkeit, den Start der neuen Oberstufe autonom um bis zu zwei Jahre nach hinten zu verschieben. Für berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMHS) gilt die Lockerung nicht. Die hätten nicht darum gebeten, hieß es noch am Montag aus dem Ministerium. Das änderte sich bereits am Dienstag. BMHS-Lehrergewerkschafter Jürgen Rainer forderte ein Jahr zusätzliche Vorbereitungszeit. Heute, Mittwoch, wird es ein Treffen zwischen Lehrervertretern und Bildungsministerium geben.

3 Was ändert sich durch die neue Oberstufe eigentlich?

Die neue Oberstufe soll an allen mindestens dreijährigen Oberstufenformen ab der 10. Schulstufe (also etwa erst ab der sechsten Klasse AHS) starten. Der Lernstoff wird dabei in je ein Semester umfassende Module unterteilt. Neu ist, dass jedes Semester positiv abgeschlossen werden muss. Bei einer negativen Note in einem Fach muss aber nicht die ganze Klasse wiederholt werden, sondern nur das jeweilige Modul. Dazu darf die Semsterprüfung maximal zweimal wiederholt werden. Doch selbst wenn das nichts hilft und der Schüler negativ abschließt, kann er in die nächste Klasse aufsteigen. Erst bei mehr als zwei Nicht genügend muss die Klasse wiederholt werden. Das Sitzenbleiben wird so nahezu abgeschafft. Ein Haken bleibt aber: Spätestens bis zur Matura müssen alle Module positiv abgeschlossen sein.

4 Können die Schüler in der neuen Oberstufe ihre Fächer wählen?

Nein. Denn die neue Oberstufe hat wenig bis nichts mit den Schulversuchen zu einem echten Modulsystem, also einer modularen Oberstufe, zu tun. In einer solchen würden die Pflichtunterrichtsstunden auf ein Minimum reduziert. Es würde genau so viel unterrichtet, um die Zentralmatura bestehen zu können. Zusätzlich könnten die Schüler eigene Schwerpunkte setzen und ihre Stundenpläne individuell zusammenstellen.

5 Wie viele Schulen sind bereits auf einem guten Weg?

Insgesamt müssen 742 Schulstandorte auf das neue System umstellen. 200 versuchen das bereits. Darunter sind deutlich mehr BMHS als Gymnasien. Es gibt überhaupt erst eine AHS, und zwar das BORG in Neulengbach, das den Schulversuch zur neuen Oberstufe bereits bis zur Matura führt. Und so ist anzunehmen, dass von der Möglichkeit zur Verschiebung viele Schulen Gebrauch machen. „Das Ministerium hat hier vier Jahre geschlafen“, sagt AHS-Lehrervertreter Eckehard Quin. Noch immer gebe es keine gesetzlich vorgeschriebenen, in Semester unterteilte Lehrpläne. Das mache es auch für die Verlage schwer, die nicht wüssten, wie die Schulbücher für die neue Oberstufe gestaltet sein sollen. Auch die Software mache Probleme. „Wenn das alles ordentlich erledigt ist, nehme ich nicht an, dass die Masse rausoptieren wird. Wenn das aber nicht passt, werden das praktisch alle tun.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2016)

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