Arbeitsrecht: Streit wegen Kopftuch und Schleier

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Eine gekündigte Mitarbeiterin eines Notars fühlte sich als Muslima diskriminiert und klagte. Nun liegt der Fall beim OGH.

Wien. Am vergangenen Dienstag wurden zwei Fälle aus Belgien und Frankreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhandelt, in denen es um das Tragen von Kopftuch und Schleier am Arbeitsplatz geht – mit Urteilen ist wohl erst in ein paar Monaten zu rechnen. Aber auch in Österreich ist ein derartiger Fall anhängig, er liegt beim OGH.

Klägerin ist eine ehemalige Notariatsangestellte, die ihrem Exarbeitgeber Diskriminierung wegen ihres muslimischen Glaubens vorwirft. Beim Erstgericht blitzte sie damit ab, das Oberlandesgericht Wien (OLG) gab ihr jedoch zumindest teilweise recht. Darüber muss nun das Höchstgericht entscheiden.

Die Frau war vor Jahren – lang vor ihrer Anstellung bei dem Notar – zum Islam konvertiert, der Arbeitgeber wusste das von Anfang an. Er erlaubte ihr auch, in einem separaten Raum ungestört zu beten. Nach einiger Zeit ersuchte die Angestellte, bei der Arbeit ein Kopftuch tragen zu dürfen. Der Notar lehnte das zunächst ab, mit dem Argument, im Notariat müssten alle Angestellten ein neutrales Erscheinungsbild haben. Nach ein paar Monaten begann die Mitarbeiterin, das Kopftuch trotzdem zu tragen – was ihr der Arbeitgeber schließlich auch erlaubte. Von Klientenseite her gab es diesbezüglich fallweise negative Äußerungen. Trotzdem wurde sie zunächst weiterhin für Kundenkontakte und als Testamentszeugin eingesetzt.

Weniger Klientenkontakt

Schließlich ging die Frau in Mutterschutz. Danach war sie zunächst geringfügig in der Kanzlei beschäftigt, dann arbeitete sie Teilzeit. Im Dienst trug sie inzwischen nicht nur das Kopftuch, sondern auch die Abaya. Während der geringfügigen Beschäftigung saß sie in einem separaten Raum, hatte keinen Klientenkontakt und wurde auch nicht als Testamentszeugin herangezogen. Später änderte sich das wieder, sie betreute jedoch vorwiegend Klienten mit Migrationshintergrund.

Einige Zeit später erkrankte die Angestellte schwer. Als es um ihre Rückkehr aus dem Krankenstand ging, teilte sie ihrem Arbeitgeber mit, im Dienst künftig auch einen Gesichtsschleier tragen zu wollen. Das ging dem Notar dann doch zu weit: Mit dem Kopftuch sei er weiterhin einverstanden, ein Schleier sei jedoch mit der Tätigkeit in einem Notariat unvereinbar. Erstmals stellte der Arbeitgeber auch eine mögliche Kündigung in den Raum, sollte die Angestellte auf dem Gesichtsschleier bestehen. Ihren Vorschlag, bei Gesprächen mit Klienten den Schleier abzulegen, lehnte der Arbeitgeber ab, zumal sie wieder im Einsichtsbereich der Klienten hätte sitzen sollen.

Im Endeffekt kam es tatsächlich zur Kündigung. Diese hat die Arbeitnehmerin nicht angefochten; ihre Klage lautet auf immateriellen Schadenersatz wegen religiöser Diskriminierung: durch das Verbot, einen Gesichtsschleier zu tragen, aber auch, weil ihr zuvor der Klientenkontakt untersagt und dann auf Personen mit Migrationshintergrund eingeschränkt worden sei. Da das Thema Gesichtsschleier nur Frauen betreffe, sei sie auch wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden.

Das Erstgericht wies die Klage ab: Ein Notar dürfe von seinen Mitarbeitern ein dem Berufsstand entsprechendes Erscheinungsbild erwarten, das Verbot, einen Gesichtsschleier zu tragen, sei sachlich gerechtfertigt. Auch die Spezialisierung des Aufgabengebiets der Mitarbeiterin sei nicht diskriminierend gewesen. Der Arbeitgeber hatte diese damit begründet, seine Angestellte habe sich sehr für das Thema Migration interessiert.

Schleierverbot korrekt

Das Verbot des Gesichtsschleiers – und damit auch die Kündigung – wertete auch das OLG nicht als Diskriminierung: „Die soziale Interaktion (auch durch Mimik; Anm.) ist ein wesentlicher Wert, auch im Verhältnis zum Arbeitgeber und zu den Arbeitskollegen, nicht nur im Rahmen des Klientenkontakts“, heißt es in dem Urteil. In einem anderen Punkt bekam jedoch die Klägerin recht: Die Einschränkung des Klientenkontakts und die seltenere Verwendung als Testamentszeugin sei sehr wohl eine Benachteiligung und damit eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion und des Geschlechts. Hier ist nun der OGH am Wort – nicht ausgeschlossen, dass auch er noch den EuGH einschaltet (siehe auch Artikel links). OGH-Judikatur zu dieser konkreten Thematik gibt es noch nicht, der Ausgang der Sache ist völlig offen.

„Die Presse“ sprach mit dem Arbeitsrechtsexperten Georg Schima über den Fall. Aus seiner Sicht hat sich der Notar korrekt verhalten, seiner persönlichen Meinung nach sei er geradezu „ein Held der Zivilgesellschaft“. Denn: „Ich kann mir schwer vorstellen, wie man in solchem Umfeld noch mehr auf eine Mitarbeiterin eingehen kann.“ Das OLG habe auch nicht die Kündigung beanstandet, sondern nur die vorherige Änderung des Tätigkeitsbereichs. „Auch diese erfolgte aber meines Erachtens behutsam, sachlich begründet und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“, meint der Anwalt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2016)

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