Immer mehr Juristen wagen die Beurteilung einer Pleite Kärntens – mit mehr oder weniger guten Botschaften für die Gläubiger.
Wien.Ein Land kann nicht pleitegehen, lautete die einhellige Meinung. Dementsprechend fehlen in Österreich jegliche Gesetze oder eine Judikatur, an denen sich Landesregierung und Masseverwalter im Fall einer Insolvenz Kärnten entlanghangeln könnten. Der geplatzte Deal mit den Heta-Gläubigern, die landesgarantierten Anleihen zu 75 Prozent ihres Wertes zurückzukaufen, macht diese wahrscheinlicher. Sobald die Finanzmarktaufsicht (FMA) den Schuldenschnitt ansetzt, werden Kärntens Haftungen schlagend. Mit einer Klagsflut ist dann zu rechnen. Das Land müsste sich für zahlungsunfähig erklären.
Kärnten wird im Insolvenzfall nicht aufhören zu existieren – das steht fest. Ab da scheiden sich aber die Geister der Juristen. Vor allem in dem Punkt, was in die Insolvenzmasse fiele und zur Befriedigung der Gläubigerforderungen verwertbar wäre – und was davon zugunsten der verfassungsrechtlich verankerten Funktionsfähigkeit Kärntens ausgenommen ist, ist man uneins.
Die Zivilrechtler Georg Kodek und Michael Potacs erstellten im Auftrag Kärntens ein Gutachten, nach dem die „Funktionsgarantie“ den Zugriff auf einen Großteil der Mittel verhindert. Alles sei Gläubigern entzogen, was für die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben notwendig ist, wobei das Land selbst festlegt, worin diese bestehen. Verfassungsrechtler Heinz Mayer wiederum stellt den Heta-Gläubigern in einem Gutachten mehr pfändbare Masse in Aussicht: bis zu einer der zwei Milliarden Euro des Landesbudgets.
Kein Budget für Schuldner
Auch Insolvenzrechtler Paul Oberhammer hält nun in einer auf Anregung der Gläubigerseite erschienenen Publikation den Ansatz für unsinnig, im Fall Kärntens zwischen einem exekutionsfähigen Vermögen und anderen Vermögen, die für die Erfüllung der Aufgaben des Landes während des Insolvenzverfahrens nötig und unantastbar seien, zu unterscheiden. Was genau unter die „Funktionsgarantie“ des Landes fällt, will er nicht bewerten. Jedoch betont er: Es „leuchtet schwerlich ein, dass zu dieser Funktionsgarantie auch die Schaffung budgetärer Spielräume für politische Entscheidungen zählen kann“.
Es widerspreche fundamentalsten insolvenzrechtlichen Grundsätzen, dem Schuldner irgendein Budget zur Verfügung zu überlassen. Oberhammer stellt zugleich die Rute ins Fenster: Sollte ein geordnetes Insolvenzverfahren scheitern, wären Haftungen nicht vom Tisch, sondern unterlägen einem „vergleichsweise ungeordneten Gläubigerzugriff in der Einzelexekution“. (APA/loan)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2016)