Ein teuer erkaufter Aufschwung

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Die Konjunktur zieht an, die Reallöhne steigen, die Steuerreform wirkt – aber noch ist sie nicht komplett finanziert. Dazu kommen die Flüchtlingskosten, die sich auf zwei Milliarden Euro verdoppeln könnten.

Es gibt eine einzige uneingeschränkt positive Nachricht in der aktuellen Konjunkturprognose der Wirtschaftsforscher, die am Donnerstag vorgelegt wurde: Die realen Nettolöhne sind 2015 zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder leicht gestiegen (plus 0,5 Prozent). Das heißt: Trotz Steuern und Inflation hatten die Österreicherinnen und Österreicher unter dem Strich wieder etwas mehr im Geldbörsl. Es wird sogar noch besser: Dank der Steuerreform sollen die Reallöhne in diesem Jahr laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) sogar um 2,6 Prozent steigen.

Spontane Volksfeste zur Ehren der wiedergewonnenen Kaufkraft werden dennoch ausbleiben – denn schon 2017 geht es wieder bergab mit den Reallöhnen, dann nämlich, wenn die positiven Effekte der Steuerreform von der Realität eingeholt werden. „Solange Inflation und Steuern hoch bleiben, ist es schwer, einen dauerhaft positiven Konsum zu erreichen“, sagt Wifo-Chef Karl Aiginger. Die Inflationsrate bleibt in Österreich auch in den kommenden Jahren ungewöhnlich hoch, rund einen Prozentpunkt über dem Durchschnitt im Euroraum: 1,2 Prozent heuer und 1,8 Prozent im kommenden Jahr werden vom Wifo prognostiziert.

Sondereffekte wirken positiv

Der wichtigste Grund für die hohe Inflation sind weiterhin die rasch steigenden „administrierten Preise“, also Steuern- und Gebühren, die vom Staat festgelegt werden. Hier zeigt sich auch die Kehrseite der Steuerreform, deren positive Wirkung fürs Geldbörsl ja gegenfinanziert werden will. Allein die Anhebung der Mehrwertsteuer in manchen Bereichen wird die Inflationsrate heuer um 0,2 Prozentpunkte erhöhen, so das IHS. Gleichzeitig wachsen Arbeitslosigkeit und Beschäftigung: Es gibt also mehr Jobs, aber noch mehr Jobsuchende. Dazu tragen Migranten aus Osteuropa genauso wie die Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten bei.

Dennoch: Aufgrund eines wachsenden privaten Konsums nach der Steuerreform sowie der zusätzlichen steigenden staatlichen Ausgaben für Flüchtlinge (die ebenfalls indirekt den Konsum antreiben sollen) erwarten das Wifo und das Institut für Höhere Studien (IHS) einen deutlichen Wirtschaftsaufschwung. 2016 und 2017 soll die Konjunktur jeweils um 1,6 Prozent (Wifo) bzw. 1,5 Prozent (IHS) wachsen (um je 0,1 Prozentpunkte weniger als im Herbst prognostiziert).

Die Arbeitslosenrate wird bis 2017 allerdings auch steigen – und fast die Marke von zehn Prozent erreichen. Wifo-Chef Karl Aiginger spricht dennoch von einer „breiten Erholung in allen EU-Ländern“, die aber „schwach und holprig“ bleibe. Und IHS-Ökonom Helmut Hofer sagt: „Wir haben heuer Sondereffekte, die positiv wirken. Das Risiko einer schwachen Weltkonjunktur würde ich aber auch nicht unterschätzen.“ Das öffentliche Defizit lag im vergangenen Jahr bei minus 1,4 Prozent des BIPs.

Wifo glaubt nicht an Obergrenze

Wenn es um die Frage der Finanzierung von Steuerreform und Flüchtlingsfrage geht, sind sich Wifo und IHS nicht einig. So erwartet das IHS Probleme bei der Gegenfinanzierung der Steuerreform. Viele der geplanten Einsparungen bei Verwaltung und Förderung würden – wenn überhaupt – erst mit Verzögerung wirksam. Auch die „Selbstfinanzierung“ der Steuerreform durch steigenden Konsum sieht das IHS kritisch und erwartet Verzögerungen. Gemeinsam mit steigenden Kosten in der Flüchtlingskrise geht das IHS von einem Anstieg des Defizits auf zwei Prozent aus.

Das Finanzministerium erwartet heuer Flüchtlingskosten von rund 910 Mio. Euro, die IHS-Prognose liegt leicht darüber. Aber das Wifo hat eine andere Rechnung angestellt. Dort glaubt man nicht, dass die Regierung die selbst gesetzte Obergrenze einhalten kann, und hat auf der Basis von 70.000 neuen Flüchtlingen gerechnet. Das Ergebnis: Die Kosten verdoppeln sich laut Wifo heuer auf fast zwei Mrd. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2016)

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