Unruhen in Xinjiang: Al-Qaida droht Peking mit Vergeltung

(c) REUTERS/David Gray
  • Drucken

Die Terrornetz-Teilorganisation "al-Qaida im Islamischen Maghreb" hat zu Vergeltungsschlägen gegen Chinesen aufgerufen. Indessen gibt es schwere diplomatische Verstimmung zwischen Peking und Ankara.

Wegen des brutalen Vorgehens gegen die muslimischen Uiguren in der Nordwestregion Xinjiang sieht sich China mit ersten Drohungen des islamistischen Terrornetzwerks al-Qaida konfrontiert. Die Teilorganisation "al-Qaida im Islamischen Maghreb" (AQIM) habe zu Vergeltungsschlägen gegen Chinesen aufgerufen, die im Ausland lebten. Das berichtet die internationale Beratungsorganisation Stirling Assynt. Hunderttausende Chinesen arbeiten im Nahen Osten und in Nordafrika, allein 50.000 von ihnen in Algerien.

"Diese Drohung sollte ernst genommen werden", warnten die Berater, die sich auf Informanten beriefen, die den AQIM-Aufruf gesehen hatten. Die Forderungen nach Vergeltungsschlägen gegen China würden zunehmend lauter. Die Führung in Peking behauptet, dass es zwischen uigurischen Separatisten und al-Qaida Verbindungen gibt. Mehr als 1000 Aktivisten der Ostturkestan-Unabhängigkeitsbewegung seien von al-Qaida ausgebildet worden, hieß es in Peking.

Ganz anders sehen das Menschenrechtler: China nütze den internationalen Kampf gegen den Terrorismus aus, um verschärft gegen Regimekritiker und Minderheiten vorzugehen, erklären Menschenrechtsorganisationen.

Schwere diplomatische Verstimmung zwischen Peking und Ankara

Inzwischen hat die scharfe Kritik des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan am chinesischen Vorgehen gegen die Uiguren empörte in Peking Reaktionen hervorgerufen. Erdogans Aussage, dass sich in Xinjiang ein "Völkermord" abspiele, sei eine "unverantwortliche und grundlose Beschuldigung", hieß es am Dienstag im Leitartikel der englischsprachigen Zeitung "China Daily". Die Tatsache, dass von den 186 bei den jüngsten Unruhen umgekommenen Menschen 137 Han-Chinesen seien, spreche "Bände über die Art des Ereignisses".

Erdogan hatte die chinesische Regierung am Samstag aufgefordert, die erzwungene "Assimilierung" der Uiguren in China zu beenden und die Menschenrechte zu achten. Bereits am Freitag hatte Erdogan die Ereignisse in Xinjiang als "eine Art Völkermord" bezeichnet und gesagt, es sei unverständlich, dass die Führung in Peking den "Gräueltaten" tatenlos zusehe. In der Türkei lebt eine Anzahl von uigurischen Flüchtlingen aus Xinjiang.

Urumqi, die Hauptstadt von Xinjiang, war zuletzt Schauplatz blutiger Zusammenstöße zwischen Angehörigen des muslimischen Turkvolks der Uiguren und zugewanderten Han-Chinesen. Bei den Unruhen wurden nach offiziellen Angaben mindestens 186 Menschen getötet, davon 137 Han-Chinesen, und 1.680 weitere verletzt. Exil-Uiguren gehen von bis zu 800 Toten aus.

Ostturkestan

Militante uigurische Gruppen kämpfen für die Schaffung eines unabhängigen Staates "Ostturkestan", wie er in den 1940er-Jahren kurzzeitig existiert hatte. Seit Anfang der 1990er-Jahre kam es immer wieder zu blutigen Unruhen, zahlreiche "Konterrevolutionäre" wurden hingerichtet, Hunderte von Moscheen und Koranschulen geschlossen. Gegen pro-chinesische uigurische Funktionäre wurden Attentate verübt, so fiel der regimegenehme Imam der Großen Moschee von Kashgar einem Mordanschlag zum Opfer.

Xinjiang (chinesisch: "Neue Grenze") wurde im 18. Jahrhundert von den Mandschu-Kaisern erobert und erst 1884 dem chinesischen Reich einverleibt. Es ist für Peking von großer strategischer Bedeutung und reich an Bodenschätzen. 1955 wurde von den Kommunisten die "Autonome Region Xinjiang" errichtet. In Lop Nor entstand Chinas Atomtestgelände. Die Ansiedlung von Han-Chinesen wurde in großem Maßstab vorangetrieben. Seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten erstarken panislamische und irredentistische Strömungen, wie die kommunistischen Behörden offen zugegeben haben.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Polizeieinsatz in Urumqi: Zwei Uiguren getötet

Neue blutige Zwischenfälle in der chinesischen Unruheregion Xinjian. Die zentrale Rechtsbehörde in Peking legt unterdessen Anwälten nahe, im Zusammenhang mit den Unruhen keine Fälle zu übernehmen.
Außenpolitik

Uiguren-Führerin fordert US-Unterstützung

Die im Exil lebende Uiguren-Führerin Rebiya Kadeer fordert Washington auf, ein Konsulat in Xinjiang zu eröffnen. Eine Woche nach Beginn der Unruhen herrscht gespannte Ruhe in der Unruheregion.
Soldaten
Außenpolitik

Unruhen in Xinjiang: "Ohne uns wären sie nichts"

Pekings Strategie, mit wirtschaftlichem Aufschwung Harmonie zwischen Uiguren und Han-Chinesen zu erzwingen, ist gescheitert. Jetzt greift der Staat zu neuer Repression und verschärft damit den Konflikt.
Außenpolitik

Pekings neue Offenheit: „Glasnost à la chinoise“?

In der Xinjiang-Krise testet China eine neue Informationspolitik – fürs Ausland, nicht den Hausgebrauch.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.