Fall Karadzic: UNO-Tribunal urteilt erstmals über zwei neue Vorwürfe

Radovan Karadzic vor dem UNO-Gericht
Radovan Karadzic vor dem UNO-GerichtREUTERS
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Zum ersten Mal Urteil ergeht ein Urteil nicht nur über Srebrenica, sondern auch über Verbrechen in weiteren sieben Gemeinden. Bisher wurde auch nicht die Geiselnahme von UNO-Soldaten behandelt. Die Ex-Sprecherin des Tribunals wurde festgenommen.

Wenn das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) am kommenden Donnerstag sein Urteil gegen den ehemaligen bosnisch-serbischen Präsidenten Radovan Karadzic verkündet, wird dieses auch eine Gerichtsentscheidung zu zwei zum ersten Mal behandelten Vorwürfen enthalten.

Die meisten Vorwürfe in der Elf-Punkte-Anklage gegen Karadzic wurden auch schon in früheren Prozessen behandelt, die vor dem ICTY geführt wurden. Zum ersten Mal wird es am Donnerstag allerdings ein Urteil für den Völkermord nicht nur in Srebrenica, sondern auch in weiteren sieben bosnischen Gemeinden - Kljuc, Sanski Most, Prijedor, Vlasenica, Foca, Zvornik und Bratunac - geben.

Das ICTY wird sich erstmals auch zur Geiselnahme von fast 377 UNO-Soldaten durch bosnisch-serbische Truppen im Mai und Juni 1995 äußern.

Lebenslange Haftstrafen

Für andere in der Anklage enthaltenen Kriegsverbrechen-Vorwürfe wurden vom ICTY wiederholt Urteile ausgesprochen. So etwa für das Massaker in Srebrenica, wo bosnisch-serbische Truppen im Juli 1995 rund 8000 bosniakische Stadteinwohner brutal ermordeten. Dreimal bisher hatte sich das UNO-Tribunal für lebenslange Haftstrafen für die Angeklagten entschlossen, eine Reihe weiterer wurde zu insgesamt 189 Jahren Haft verurteilt.

Lange Haftstrafe gab es auch für die 44-monatige Beschießung von Sarajevo. Zwei bosnisch-serbische Ex-Offiziere - Stanislav Galic und Dragomir Milosevic - wurden zu lebenslanger bzw. 29-jähriger Haft verurteilt.

Die Ankläger hatten für Karadzic eine lebenslange Haftstrafe verlangt. Der Angeklagte, der sich nur "moralisch" verantwortlich fühlt, plädierte auf Freispruch.

Ex-Sprecherin des Gerichts festgenommen

Am Rande des Prozesses wurde am Donnerstag die ehemalige Sprecherin des UNO-Tribunals, Florence Hartmann, im Gericht festgenommen. Beim Betreten des Gebäudes war die Französin am Donnerstag von zwei UN-Sicherheitsbeamten nach kurzem Handgemenge abgeführt worden.

Hartmann, die 2009 wegen Missachtung des Gerichts verurteilt worden war, war wegen der Urteilsverkündung im Prozess gegen Karadzic im Gericht. Sie war 2009 zu einer Geldbuße von 7000 Euro verurteilt worden, nachdem sie in einem Buch aus geheimen Dokumenten des Tribunals zitiert hatte. Hartmann war von 2000 bis 2006 Sprecherin der damaligen Chefanklägerin des Jugoslawien-Tribunals, Carla Del Ponte.

(APA)

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