Der vermutlich einzige flüchtige Attentäter von Paris wurde gefunden: Salah Abdeslam hielt sich in Belgien auf.
Brüssel/Wien. Vier Monate hatte es gedauert. Vier Monate, in denen die Sicherheitsbehörden fieberhaft nach ihm gesucht hatten. Doch Freitagabend gab die belgische Regierung bekannt: Salah Abdeslam wurde bei einer Razzia im Brüsseler Stadtteil Molenbeek gefasst. Belgiens Regierungschef Charles Michel sagte bei einer Pressekonferenz, außer Abdeslam, dem Hauptverdächtigen der Pariser Attentate vom November, seien noch zwei weitere Verdächtige festgenommen worden. Abdeslam war bei dem Einsatz verletzt worden.
Die Festnahme Abdeslams erfolgte in der als Islamistenhochburg bekannten Brüsseler Gemeinde Molenbeek. Bei dem Zugriff von Spezialkräften wurde er demnach verletzt. Medienberichten zufolge wurde Abdeslam in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht. Augenzeugen hatten zuvor von Schüssen während des Polizeieinsatzes berichtet. Zu den anderen festgenommenen Personen gab es zunächst aber keine weiteren Angaben.
Der 26-jährige Franzose Abdeslam gilt als einer der Hauptkomplizen der Attentatsserie am 13. November in Paris, bei der insgesamt 130 Menschen getötet wurden. Abdeslam soll die Attentäter, die sich vor dem Stade de France in die Luft sprengten, mit einem Auto dorthin gefahren haben. Womöglich sollte auch er sich in die Luft sprengen: Ein im Pariser Vorort Montrouge gefundener Sprengstoffgürtel gehörte möglicherweise ihm.
Aus Paris geflohen
Abdeslam wurde am Tag nach den Anschlägen zurück nach Belgien gefahren – und schlüpfte sogar durch mehrere Polizeikontrollen, weil nach ihm noch nicht gefahndet wurde.
Selbst durch Österreich reiste Abdeslam – allerdings vor den Attentaten: Vergangenen September geriet er mit zwei Mitreisenden in Oberösterreich in eine Verkehrskontrolle. Die Gruppe war in Fahrtrichtung Wien unterwegs. Die Männer gaben an, Urlaub machen zu wollen. Da kein Haftbefehl vorlag, durften sie ihre Reise fortsetzen.
Seine Gehilfen setzten Abdeslam am frühen Nachmittag des 14. November, also kurz nach der Terrornacht in Paris, im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek ab. Medienberichten zufolge soll er sich dann drei Wochen in einer Wohnung versteckt haben, in der die Ermittler am 10. Dezember seine Fingerabdrücke sicherstellten.
Dann verlor sich seine Spur – bis die Ermittler am Dienstag in einer Wohnung im Brüsseler Vorort Forest eher zufällig fündig wurden. Belgische und französische Polizisten wollten im Zuge der Ermittlungen zu den Anschlägen eine Wohnung durchsuchen, die sie für leer hielten, und gerieten unter Beschuss.
Vier Polizisten wurden verletzt, ein Verdächtiger getötet. Zwei Menschen konnten fliehen – unter ihnen offenbar Abdeslam. Seine Fingerabdrücke wurden in der Wohnung gefunden. Am Freitag wurde Abdeslam dann bei einem Großeinsatz in Molenbeek gefasst und laut Medienberichten am Bein verletzt.
In Molenbeek aufgewachsen
In dem wegen seiner Islamistenszene berüchtigten Stadtteil war der Franzose marokkanischer Abstammung aufgewachsen. Bekannte beschreiben ihn als gewöhnlichen Jugendlichen, der wie sein Bruder Brahim Fußball spielte und ausging. Von einer Radikalisierung bemerkte lange niemand etwas.
Doch dann lernte er Abdelhamid Abaaoud kennen, der später einer der bekanntesten belgischen Jihadisten werden sollte und auch als Drahtzieher der Anschläge von Paris gilt. Nachdem bei den Attacken von Paris sieben der Selbstmordattentäter sich in die Luft sprengten oder erschossen wurden und Abdelhamid Abaaoud bei der Erstürmung einer Wohnung im nördlich von Paris gelegenen Saint-Denis starben, war Salah Abdeslam der vermutlich einzige flüchtige Attentäter der drei Kommandos. Bis Freitagabend eben. (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2016)