Mit neuer Siegermentalität auf Erfolgskurs

 Im vergangenen Sommer feierte Viktoria Schnaderbeck mit Bayern Münchens Frauenteam den Meistertitel.
Im vergangenen Sommer feierte Viktoria Schnaderbeck mit Bayern Münchens Frauenteam den Meistertitel.MAGICS/Action Press/picturedesk.com
  • Drucken

Die ÖFB-Frauen sind fast zwei Jahre ungeschlagen und greifen nach der ersten EM-Qualifikation. Kapitänin Viktoria Schnaderbeck über Höhenflug, Fortschritte und Probleme im Frauenfußball.

Der österreichische Fußball erlebt derzeit einen Höhenflug – und das stellt nicht nur die Mannschaft von Marcel Koller eindrucksvoll unter Beweis. Auch die ÖFB-Frauen schwimmen seit fast zwei Jahren auf der Erfolgswelle, davon zeugt die stolze Serie von 17 Spielen ohne Niederlage. Demnächst könnten sie es ihren männlichen Kollegen gleichtun und sich mit der erstmaligen sportlichen Qualifikation für eine EM-Endrunde krönen. Die Österreicherinnen gehen als Tabellenführer in die Heimpartien gegen Kasachstan (6. April) und Norwegen (10. April), spätestens das Gastspiel beim skandinavischen Gruppenfavoriten (2. Juni) dürfte über die Teilnahme an der EM 2017 in den Niederlanden entscheiden.

Zweimal waren die ÖFB-Frauen dem Traum vom Großereignis bereits sehr nah, scheiterten jedoch im Play-off für die EM 2013 ebenso knapp wie als Gruppenzweite in der Qualifikation für die WM 2015. Ein Lernprozess, der die Mannschaft von Dominik Thalhammer hat reifen lassen, ist Kapitänin Viktoria Schnaderbeck, 25, überzeugt. „Auch wenn es sehr bitter war, hat es uns weitergebracht“, sagt die Legionärin von Bayern München. „Jetzt haben wir diese Siegermentalität, um auch schwierige Spiele für uns zu entscheiden.“ Dies zeigte sich kürzlich beim Cyprus Cup, als ein Last-Minute-Tor im Finale gegen Polen den Turniersieg brachte.

Lange Tradition.
Die Geschichte des Frauenfußballs in Österreich ist lang, bereits 1924 wurde mit Diana der erste Verein gegründet, ab 1936 im Wiener Raum eine Meisterschaft gespielt. Der Anschluss an das Deutsche Reich besiegelte jedoch zwei Jahre später das Ende und wirkte durch ein vom ÖFB erlassenes Verbot der Platzfreigabe für Frauenspiele nach Kriegsende noch lang nach. Die Idee wurde erst 1968 von USC Landhaus wieder aufgegriffen und verbreitete sich derart rasant, dass schon im ersten Jahr nach der Legalisierung von Frauenspielen 1971 eine Meisterschaft zustande kam. 1982 übernahm der ÖFB den Ligabetrieb, im August 1990 bestritt das Frauennationalteam das erste offizielles Länderspiel und verlor in der Schweiz 1:5. Alle Hürden waren damit aber noch nicht aus dem Weg geräumt.

6916 Frauen, 11.700 Mädchen sowie 275 Mannschaften sind beim ÖFB gemeldet, mit mangelnden professionellen Strukturen und Förderungen haben aber selbst heutige Teamspielerinnen noch kämpfen müssen, wie Schnaderbeck aus eigener Erfahrung weiß. In jungen Jahren jagte sie mit Bruder David (Sturm Graz), Cousin Sebastian Prödl (Watford) oder Schulkollegen fast täglich dem Ball nach, beim Besuch eines Frauenländerspiels in Gleisdorf wurde schließlich der Traum vom Leistungssport geweckt. „Das hat mich beeindruckt und mir als Vorbild gedient, auf das man hinarbeiten kann.“

Ihr Werdegang über LAZ Weiz, GAK-Akademie, LUV Graz und schließlich der Sprung mit 16 Jahren zu Bayern München war jedoch trotz ihres augenscheinlichen Talents keinesfalls vorgegeben, sondern das Ergebnis großer Eigeninitiative. „Es war ein langer, harter Weg. Aber ich habe gewusst, was ich will und gemeinsam mit meinen Eltern viel investiert“, erinnert sich die Steirerin, die 2007 auf eigene Faust nach München reiste. Nach zwei Kreuzbandrissen hat sich die Defensiv-Allrounderin als Stammkraft etabliert und feierte mit ihren ÖFB-Kolleginnen Manuela Zinsberger, Carina Wenninger und Laura Feiersinger 2015 den Meistertitel.

In Deutschland hat Schnaderbeck auch den Aufschwung durch die WM-Austragung 2011 hautnah miterlebt. „Das war der Startschuss, da wurde das Vermarktungspotenzial erkannt“, sagt sie und verweist auf Professionalisierung von Scouting, Beratung oder Werbung. Die finanziellen Sphären der Männer sind freilich außer Reichweite, ihr Gehalt erlaubt es der Sportmanagement-Studentin aber, sich auf den Sport zu konzentrieren.


Nachwuchs im Fokus. Schnaderbeck und weitere Legionärinnen bilden das Grundgerüst des ÖFB-Erfolgsteams, doch insbesondere in der Nachwuchsarbeit hat Österreich in den vergangenen Jahren massiv aufgeholt. Mit der Eröffnung des Nationalen Zentrums für Frauenfußball in St. Pölten 2011 wurde eine neue Ära eingeläutet, für Schnaderbeck ein „ganz wichtiger Baustein“. Blieb Nachwuchsspielerinnen zuvor mit 14 Jahren nur die Bundesliga oder der Wechsel ins Ausland, erhalten die Talentiertesten dort nun individuelle Förderung samt schulischer Ausbildung. Absolventinnen wie Torhüterin Zinsberger oder Stürmerin Nicole Billa, beide 20, sind Fixkräfte im A-Team, die U17-Auswahl, die fast geschlossen in St. Pölten ausgebildet wird, liegt im Uefa-Ranking auf Platz vier. Diese Fortschritte werden auch im Nachbarland registriert. „Die Anerkennung ist da und sie freuen sich zu 100 Prozent mit“, berichtet die Bayern-Spielerin von keinerlei deutsch-österreichischer Rivalität in der Kabine.

Allerdings kann auch die beste Ausbildung die fehlende Breite in Österreich nicht kompensieren, was neben fehlenden Sponsoren und geringer öffentlicher Wahrnehmung eines der größten Probleme in der heimischen Liga darstellt. So verdrängte Spratzern – nicht zuletzt dank Zentrumsspielerinnen – im vergangenen Jahr Serienmeister Neulengbach von der Spitze und ist seither konkurrenzlos. „Diese Unausgeglichenheit ist der große Unterschied zu Deutschland, wo du in jedem Spiel an deine Grenzen gehen musst“, urteilt Schnaderbeck.

Den Erfolgsweg des Nationalteams sieht die Kapitänin nach dem Vorstoß von Rang 40 auf das neue Allzeithoch als 25. der Weltrangliste trotz allem erst am Anfang. „Wir sind noch lang nicht am Ziel. Aber wir sind ein junges Team und werden Rückschläge erleiden. Wichtig ist, diese als Chance anzunehmen“, betont Schnaderbeck, mit 25 eine der Routiniertesten. Vergleiche wie jene mit Norwegen, Nummer zehn der Welt, seien daher besonders wertvoll. „Eine Mannschaft mit Topqualität. Das sind die Spiele, von denen man lernt.“ Die WM im letzten Jahr habe die allgemeine Entwicklung in Sachen taktischer Flexibilität und Athletik vorgezeigt.

Die ewigen Vergleiche mit den Männern kann Schnaderbeck nicht nachvollziehen, lieber streicht sie die Qualitäten des Frauenfußballs hervor: „Die sportliche Ästhetik ist inzwischen sehr groß und die Leidenschaft bei uns viel näher und persönlicher mitzuerleben“, sagt die Steirerin und blickt optimistisch in die Zukunft. „Wenn sich der Sport weiter so entwickelt, bin ich schon sehr gespannt, was die nächste Generation erwartet.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Marcel Koller
Fußball-National

Fußball-EM 2016: Der steile Weg zum großen Glück

Der Schweizer Marcel Koller hat als Teamchef der österreichischen Fußballnationalmannschaft Historisches vollbracht. Er lehrte seine Spieler Taktik und Disziplin.
FBL-EUR-C1-REALMADRID-TRAINING
Fußball-International

Der beste Fußballer aller Zeiten

Die Suche nach dem Besten gleicht einer Inszenierung, wie sie Ausnahmekönner und Stars auf dem Spielfeld selbst vorzeigen. Es geht um Gefühl, Geschmack, Kunst – aber sind Rankings nicht sinnlos?
IAAF Diamond League 2015 - Sainsbury's Anniversary Games
Mehr Sport

Rekordjagd: Höher, weiter und schneller – nur wohin?

Menschen sind unterschiedlich ob ihrer Genetik, das ist die Chance für eine neue Rekordjagd in den konventionellen Sportarten. Es gibt aber eine Grenze, die für alle gilt: die naturwissenschaftlichen Gesetze.
FILES-FBL-GER-FIFA-CORRUPTION-BLATTER
Fußball-International

Fifa: Gemein und nützlich

An Haupt und Gliedern verändert, tritt der Fußballweltverband Fifa in neue Zeiten ein. Das Durchschnittsalter ihrer Hauptakteure ist zwar gesenkt, doch wo viel Geld zu machen ist, sitzen die größten Verbrecher.
FBL-ESP-LIGA-BARCELONA-STADIUM-RENOVATION
Mehr Sport

Gigantismus: Langsam wird die Luft zu dünn!

Gigantismus, obszöne Gagen und zig andere Auswucherungen plagen den Spitzensport – es mutet wie die Suche nach der finalen Schmerzgrenze an.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.