Deutschland: Debatte über Islamophobie nach Mord in Dresden

(c) Reuters (Fabrizio Bensch)
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Die tödliche Attacke eines Deutsch-Russen auf eine Ägypterin trägt Deutschland Rassismusvorwürfe ein. Inzwischen haben sowohl Bundeskanzlerin Merkel als auch Außenminister Steinmeier dem ägyptischen Präsidenten Mubarak sowie der Familie der Ermordeten kondoliert.

Berlin. Es hat eine Weile gedauert, bis die deutsche Politik reagierte; überregionale Medien im Westen griffen den Vorfall erst mit einiger Verzögerung auf. In der islamischen Welt hatte die Ägypterin Marwa El Sherbiny indes umgehend als „Kopftuchmärtyrerin" die Schlagzeilen erobert; ihr Tod wird als Beweis für Rassismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland gesehen. Vor nunmehr zwei Wochen wurde die 31-jährige schwangere Apothekerin im Dresdner Landgericht von einem 28-jährigen Deutschrussen während einer Verhandlung mit 18 Messerstichen getötet, ihr Ehemann schwer verletzt.

Begonnen hatte es mit einem Streit auf dem Spielplatz: Marwa El Sherbiny bat den arbeitslosen Axel W., eine Schaukel für ihren Sohn freizugeben; daraufhin beschimpfte der Mann sie als Islamistin, Terroristin und Schlampe. Die Ägypterin zeigte ihn an, Axel W. wurde in erster Instanz zu 780 Euro Geldstrafe verurteilt. Als der Fall in die Berufung ging, kam es zu der Bluttat.

„Werden ihren Tod rächen"

Tausende Trauergäste nahmen in der Vorwoche im ägyptischen Alexandria an dem Begräbnis der Frau teil. Dabei wurden Schmährufe und Rassismusvorwürfe gegen Deutschland laut, die seither nicht mehr verstummt sind. „Wir werden ihren Tod rächen", kündigte der Bruder der Toten an. Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad verlangt gar eine Verurteilung Deutschlands durch die UNO.

Die deutsche Regierung hält Vorwürfen, nicht schnell genug angemessen reagiert zu haben, entgegen, dass die Umstände der Tat zunächst nicht hinreichend geklärt gewesen seien. Inzwischen haben sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) dem ägyptischen Präsidenten Mubarak sowie der Familie der Ermordeten kondoliert. „Wir stehen dafür ein, dass sich in Deutschland jeder ungeachtet seiner Herkunft, seiner Nationalität oder seines Glaubens sicher fühlt", schreibt Steinmeier. In Dresden nahmen zuletzt mehrere hundert Menschen, unter ihnen SPD-Chef Franz Müntefering, an einer Trauerfeier teil. Dem Täter soll möglichst schnell der Prozess gemacht werden.

Während sich Berlin bemüht, die Beziehungen zur islamischen Welt keinen Schaden nehmen zu lassen, hält die Debatte über Islamophobie in Deutschland an. Der Zentralrat der Juden in Deutschland sieht in den Umständen der tödlichen Messerattacke ein Zeichen für zunehmenden Hass auf Muslime. Die rechte Szene schaffe seit Jahrzehnten ein Klima des Fremdenhasses, das solche Explosionen der Gewalt erst ermögliche, sagt Generalsekretär Stephan Kramer. Auch der interkulturelle Rat warnt vor einem Anwachsen eines antimuslimischen Rassismus.

Studie: Muslime gut integriert

Andererseits hatte erst kürzlich eine von der Islamkonferenz beauftragte Studie ergeben, dass die Muslime in Deutschland sozial viel besser integriert sind als bisher angenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2009)

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