Die Soldatin soll den Standort zweier russischer Journalisten an das ukrainische Militär weitergeben haben. Die Urteilsverkündung sorgt für Verwirrung.
Dass es ein Schuldspruch wird, davon gehen alle Beobachter des Prozesses aus. Russische Agenturen berichteten am Vormittag von der Verurteilung der ukrainischen Pilotin Nadja Sawtschenko durch ein Gericht im ostukrainischen Donezk in der abtrünnigen prorussischen Rebellenregion. Allerdings ist der Prozess noch im Gange. Die Urteilsverkündung wurde auf Dienstag vertagt.
Richter Leonid Stepanenko erklärte, dass die 34-Jährige "aus Hass absichtlich den Tod zweier Menschen verursacht" habe. Russische Nachrichtenagenturen meldeten daraufhin, dies komme einem formalen Schuldspruch gleich. Der Richter verlas jedoch weiter seine Ausführungen, das abschließende Urteil wurde noch nicht verkündet.
Sawtschenkos Anwälte Mark Feigin und Nikolai Polosow sagten Reuters, sie erwarteten den Richterspruch später am Montag, möglicherweise aber auch erst am Dienstag. Es seien zunächst lediglich "die Einleitung und erklärende Teile" der Urteilsschrift verlesen worden, sagte Feigin in einer Verhandlungspause. "Natürlich wird sie schuldig gesprochen, daran gibt es keinen Zweifel", so Feigin. Noch sei das Urteil aber nicht gefallen. "Es wird ein langer Urteilsspruch", sagte der Anwalt. Für die Verkündung der Gerichtsentscheidung waren von vornherein zwei Tage angesetzt worden.
Das Strafmaß soll überhaupt erst nach Verlesen der Begründung bekanntgegeben werden - voraussichtlich am Dienstag. Moskau wirft Sawtschenko vor, 2014 im Kriegsgebiet Ostukraine tödliches Mörserfeuer auf zwei russische Journalisten gelenkt zu haben. Sie habe aus politischem Hass und Feindseligkeit gehandelt, hieß es.
Wer ist Nadja Sawtschenko?
In der Ukraine wird die Pilotin als Nationalheldin und Symbol des Widerstands gegen den Kreml verehrt, während sie im russischen Staatsfernsehen als gefährliche Nationalistin dargestellt wird, die das Blut russischer Zivilisten an den Händen hat. Sie selbst bestreitet jegliches Fehlverhalten und spricht von einem Schauprozess. Das Gerichtsverfahren hatte die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine weiter verschärft.
Schon vor dem Urteil hatte die 34-Jährige angekündigt, dass sie es nicht anfechten werde. Sie setzt auf einen Austausch Gefangener zwischen Russland und der Ukraine. Sonst werde sie nach Inkrafttreten des Urteils in zehn Tagen wieder in Hungerstreik treten, kündigten ihre Anwälte an.
Internationaler Protest
Die Vertretung der Europäischen Union in Moskau verlangte die sofortige Freilassung Sawtschenkos. Der russische Grenzschutz verweigerte am Montag einer ukrainischen Abgeordneten die Einreise zu dem Prozess. Auch Sawtschenko hat ein Mandat, sie war 2014 in Abwesenheit ins ukrainische Parlament gewählt worden.
Die Kampfpilotin war im Juni 2014 von prorussischen Separatisten gefangen genommen und an Russland übergeben worden. Die russischen Behörden werfen ihr vor, den Mörserbeschuss ins Ziel dirigiert zu haben, der die beiden Journalisten tötete. Russland unterstützt die Separatisten im Osten der Ukraine, die gegen die Regierung in Kiew kämpfen.
Russlands Staatschef Wladimir Putin hatte im Gespräch mit US-Präsident Barack Obama erst letzte Woche eine Freilassung von Sawtschenko abgelehnt. Bei dem Telefonat habe Putin klargestellt, dass der Fall vor Gericht liege, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag in Moskau. "Jegliche Einmischung von außen in die Jurisdiktion unserer Gerichte ist unzulässig, ist unmöglich", erklärte Peskow der Agentur Interfax zufolge. Zahlreiche westliche Politiker hatten sich für eine Freilassung Sawtschenkos eingesetzt, in den USA auch Vizepräsident Joe Biden und Außenminister John Kerry.
(APA/AFP)