Volkswirtschaft: Ungleichheit senkt Wachstum – aber nicht immer

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Laut OECD hätte Deutschland – und auch Österreich – mit weniger Ungleichheit ein höheres Wirtschaftswachstum. Eine Analyse, die vom DIW in Berlin übernommen und vom IW in Köln heftig kritisiert wird.

Wien. Um sechs Prozent mehr Wachstum hätte es in Deutschland in den Jahren von 1990 bis 2010 gegeben, wenn die Ungleichheit bei Einkommen im selben Zeitraum nicht zugenommen hätte. In Österreich liege dieser Wert mit rund zwei Prozent etwas niedriger. Das waren zwei der Ergebnisse einer OECD-Studie aus dem Jahr 2014, die nun in Deutschland zu einem heftigen Streit unter Ökonomen führt.

Denn Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, hat die für Deutschland errechnete Zahl der OECD und die dahinterliegenden Überlegungen in seinem neuesten Buch, „Verteilungskampf“, übernommen und erst jüngst in einem großen Gastbeitrag in der „FAZ“ dargelegt. Das führt nun zu heftiger Kritik von Michael Hüther, dem Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Denn das IW hat über die besagte OECD-Studie inzwischen eine Analyse erstellt und dabei methodische Schwächen gefunden, die das Ergebnis deutlich infrage stellen.

In einen Topf geworfen?

Laut Hüther haben die Autoren der OECD-Studie nämlich sowohl arme und reiche als auch gleiche und ungleiche Länder in einen Topf zusammengeworfen – und die Schlussfolgerungen der Gesamtergebnisse dann auf alle Länder runtergebrochen. Die Kölner Ökonomen rechneten daher mit den OECD-Zahlen noch einmal nach und kamen zu veränderten Ergebnissen.

So stimme es zwar, dass Ungleichheit unter bestimmten Voraussetzungen das Wachstum hemme. Etwa wenn ärmere Schichten so wenig Geld haben, dass sie ihre Kinder nicht auf die Schule schicken könnten. Oder wenn eine bereits sehr hohe Ungleichverteilung die Motivation der Ärmeren senkt und dazu führt, dass sie populistische, wirtschaftsfeindliche Parteien wählen.

Gleichzeitig gebe es jedoch auch Voraussetzungen, bei denen Ungleichheit sogar zu steigendem Wachstum führt. Dann nämlich, wenn auch die Armen grundsätzlich die Chance haben, reich zu werden und durch die vorhandene – nicht zu hohe – Ungleichheit motiviert werden, es zu versuchen.

Entscheidende Grenzwerte

In ihren Berechnungen sind die Forscher dann auf zwei Grenzwerte gestoßen, die für das Ergebnis entscheidend seien. So führe mehr Ungleichheit nur dann zu sinkendem Wachstum, wenn entweder die Wirtschaftsleistung unter 9000 Dollar pro Kopf und Jahr liegt oder aber der Gini-Koeffizient über 0,35 (dieser kann zwischen null und eins liegen; bei null haben alle gleich viel, bei eins einer alles).

Deutschland falle aber (so wie Österreich) in keine der beiden Gruppen. (jaz)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2016)

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