Historischer Besuch: Obamas Friedensgruß an die Kubaner

Barack Obama winkt auf der Bühne des Gran Teatro dem ausgesuchten Publikum zu – ein Friedensgruß ans kubanische Volk.
Barack Obama winkt auf der Bühne des Gran Teatro dem ausgesuchten Publikum zu – ein Friedensgruß ans kubanische Volk.(c) APA/AFP/NICHOLAS KAMM
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Mit einer Charmeoffensive umschmeichelte der Präsident während seiner dreitägigen Visite in Havanna das kubanische Volk. Ein optimistischer Ton durchzog seine Rede.

Die Bühne des Gran Teatro in Havanna war ins Dunkel getaucht, und oben auf der Tribüne war Gastgeber Raúl Castro nur schemenhaft zu erkennen. Kubas 84-jähriger Präsident war erschienen, um an der Heimstatt des Nationalballets seinem Ehrengast zu lauschen, dem ersten US-Präsidenten seit Calvin Coolidge, der 1928 noch an Bord eines Kriegsschiffs auf die Karibikinsel gereist war. Diesmal richtete der US-Präsident indes einen Friedensgruß ans kubanische Volk, und bei jeder Gelegenheit beschwor er den Aufbruch einer neuen Ära.

Barack Obama war gekommen, um die „Überbleibsel des Kalten Kriegs“ ein für alle Mal zu begraben, wie er in seiner Rede formulierte, die voll war von historischen Anspielungen und Einsprengseln in spanischer Sprache. Drei Tage vor dem Konzert-Debüt der Rolling Stones in Havanna war dies wahrhaft ein historischer Auftritt des US-Präsidenten, der die Kalamitäten und Rivalitäten des Kalten Kriegs demonstrativ hinter sich gelassen hatte, die Ressentiments der exilkubanischen Gemeinde in Florida und der republikanischen Politiker und Präsidentschaftskandidaten, die in Obama und seiner Familie bloß „Revolutionstouristen“ sahen, die durch die historischen Gassen flanierten und ansonsten den in die Jahre gekommenen Revolutionären huldigten.

Kein Treffen mit Fidel Castro

Dabei vermied es Obama, Fidel Castro, den greisen und siechen Máximo Lider, zu treffen. Der gilt ohnehin nicht als großer Anhänger der Annäherung mit dem früheren Erzfeind. Eines freilich hätte dem großen, bald 90-jährigen Baseball-Fan sicherlich gefallen – das abschließende Show-Match zwischen dem kubanischen Nationalteam und den Tampa Bay Rays aus Florida. Der Nationalsport Baseball verbindet die beiden Staaten jenseits aller politischen Streitthemen à la die Rückgabe von Guantánamo Bay oder die Aufhebung des Embargos. Wie Richard Nixon zu Beginn der 1970er-Jahre auf Pingpong-Diplomatie vis-à-vis China setzte, so baut Obama auf Baseball-Diplomatie.

In seiner Pressekonferenz mit dessen Bruder Raúl am Montag, in seiner Ansprache im Gran Teatro und beim Treffen mit Dissidenten wie den katholischen Rebellinnen, den „Damen in weiß“, in der US-Botschaft sprach der US-Präsident indessen die Differenzen mit dem kommunistisches Regime der Castro-Brüder offen und ohne Anbiederung an. „Fürchtet nicht die unterschiedlichen Stimmen.“ Scherzhaft führte er die Vorzüge der US-Demokratie selbst in turbulenten Wahlkampfzeiten an, und unter dem Applaus des ausgesuchten Publikums erwähnte er in einem ironischen Aperçu, dass sich auch ein „demokratischer Sozialist“ – Bernie Sanders – in seiner Partei zur Präsidentschaftswahl stellt.

Dies sollte, so der Subtext, die kommunistischen Dinosaurier auf Kuba zu rascheren Reformen ermutigen. Dass Raúl Castro in einer seiner raren Pressekonferenzen mit kritischen Fragen von US-Journalisten konfrontiert war, markierte den Anfang einer gewissen Demokratisierung – zumindest in den Augen der kubanischen Beobachter. Barack Obama verspricht sich von seiner Visite jedenfalls den Anstoß für einen schleichenden Wandel auf Kuba, den trotz aller bürokratischen Hemmnisse vor allem die verstärkte wirtschaftliche Kooperation befördert.

Die Charmeoffensive des US-Präsidenten ist derweil nicht spurlos an vielen Kubanern vorbeigegangen, denen der Wandel nicht schnell genug gehen kann. Offiziell hielten sich während der drei Tage in Havanna „Viva Obama, viva Fidel“-Rufe die Waage.

„Que bola Cuba?“ – „Wie geht's?“ – fragte Obama betont jovial. Er schrieb einen Brief an eine ältere kubanische Dame, die darob aus allen Wolken fiel, und er rief den kubanischen Komiker Panfilo an. „Die Zeit war reif“, resümierte Obama in einem Interview. „Unsere Absicht war immer, eine Dynamik zu schaffen, ohne zu vergessen, dass der Wandel nicht von einem Tag auf den nächsten kommt.“ Mehr als fünf Jahrzehnte der Isolation, Konfrontation und Eskalation, hätten die „Brüder“ dies- und jenseits der Florida-Straße, lediglich 90 Meilen entfernt voneinander, auseinandergetrieben.

„Wir sollten den Wandel begrüßen“, sagte Obama an die Adresse seiner Gastgeber in Havanna wie an die republikanischen Gegner in Washington, die die Aufhebung des Embargos im Kongress weiterhin beharrlich blockieren. Ein ums andere Mal betonte der US-Präsident: „Ich glaube an das kubanische Volk.“ Mit seiner positiven Botschaft und dem optimistischen Grundtenor wollte er Keime für eine Demokratisierung säen, und als Kronzeugen für die gegenseitige Befruchtung führte er die Nationalhelden an, die Schriftsteller José Martí und Ernest Hemingway.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2016)

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