Betteln – ein Problem, das eskaliert

Beschwerden über Bettler: In Salzburg überlegt man die Ausdehnung des sektoralen Bettelverbots.
Beschwerden über Bettler: In Salzburg überlegt man die Ausdehnung des sektoralen Bettelverbots. (c) Barbara Gindl/APA/picturedesk.com
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Linz überlegt die Einführung eines sektoralen Bettelverbots, in Salzburg arbeitet man derzeit an dessen Erweiterung. Auch in Vorarlberg hat man auf aggressive Bettler reagiert.

Wien. Sie seien aggressiv und akzeptieren kein Nein, wird oft geklagt. In Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg gab es in den vergangenen Monaten wieder vermehrt Probleme mit Bettlern. Linz überlegt nun die Einführung eines sektoralen Bettelverbots, in Salzburg soll es ausgedehnt werden. Ein Überblick.

Oberösterreich. Die Situation ist erst seit Kurzem akut. Seit Anfang des Jahres ist die Zahl der Anzeigen gegen Bettler in Linz massiv gestiegen. „Die Menge ist nicht das Problem, sondern die Aggressivität“, sagt Erwin Fuchs, stellvertretender Landespolizeidirektor in Oberösterreich. Grob geschätzt 150 Bettler, die zum Großteil alle aus einem Dorf aus Südrumänien kämen, würden derzeit auf den Straßen in Linz unterwegs sein. Sie sollen Passanten nachlaufen, kein Nein akzeptieren, auch Frauen immer wieder bedrängen.

Als Reaktion darauf überlegt Linz nun die Einführung eines sektoralen Bettelverbots. Nächste Woche soll es dazu einen runden Tisch mit der Polizei, der Magistratsverwaltung, aber auch Hilfsorganisationen geben. Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) möchte die Verbotszone zwischen Hauptbahnhof und Hauptplatz haben sowie in den Nebenstraßen der Landstraße. „Damit es zu keiner Verdrängung kommt“, sagt er zur Presse. Ein 24-Stunden-Verbot wäre wünschenswert, müsse rechtlich aber erst geprüft werden.

Die Gespräche über das Verbot signalisieren auch einen Schwenk in der Politik. Noch vor einem halben Jahr hätten sich weder Luger noch Erwin Fuchs für das sektorale Verbot ausgesprochen. „Aber das, was wir hier erleben, das ist für Linz neuartig“, sagt Luger. Warum die Situation eskaliert sei, kann der Bürgermeister nur vermuten. „Es gibt Einschätzungen, dass Bettler, die davor in Salzburg eingesetzt wurden, jetzt nach Linz transferiert wurden“, sagt er. In Salzburg ist das sektorale Bettelverbot bereits gültig. Die Bettler in Linz seien „augenscheinlich organisiert“, sagt er. Die Menschen seien jünger als früher und meist ohne körperliches Handicap. Zu einem Teil gehört auch jene Roma-Großfamilie, deren Zelte in den vergangenen Wochen mehrmals abgebrannt wurden, zu den Bettlern. Kommende Woche sollen beim runden Tisch auch Hilfsprogramme für Bettler besprochen werden. „Ich bin sehr aufgeschlossen, mit Hilfsorganisationen ein Projekt in deren Herkunftsort zu machen“, sagt Luger. Man müsse die Probleme „vor Ort“ lösen.

Salzburg. In Salzburg hat man bereits Erfahrung mit dem Bettelverbot. Dort ist es seit Juni 2015 in manchen Gebieten und abhängig von der Tageszeit schon im Kraft. Die Zahl der Bettler soll bereits zurückgegangen sein. „Vor der Einführung hatten wir 180 Bettler gezählt“, sagte Vizebürgermeister Harald Preuner (ÖVP) am Mittwoch. Heuer seien es zwischen 117 und 135 gewesen. Er will trotzdem die Verbotszonen erweitern, weil es zu einem Verdrängungseffekt rund um die Innenstadt gekommen sei. SPÖ-Bürgermeister Heinz Schaden befürwortet die Ausweitung, da es wieder vermehrt Beschwerden seitens der Bevölkerung gebe. Einig ist man sich noch nicht, wo die neuen Verbotszonen sein sollen. Aus juristischen Gründen. Möglich sind sie nur dort, wo die „ungehinderte Nutzung des öffentlichen Raums nicht mehr möglich ist“.

Vorarlberg. Auch in Vorarlberg hat man auf Bettler reagiert. So wurde Ende 2015 in Städten wie Dornbirn, Bludenz und Bregenz ein sektorales Bettlerverbot erlassen. Auch dort hatten Bettler aus Rumänien mit aggressivem Verhalten für Unruhe gesorgt. Die Anzeigen, berichtete die Polizei, seien damals stark gestiegen. So lebten im Sommer 2015 mehrere Bettlergruppen in wilden Zeltlagern, die sie zuerst an der Bahnlinie, später entlang der Dornbirner und der Bregenzer Ach errichtet hatten. Die Lager wurden mittlerweile geräumt. Gleichzeitig kündigte Vorarlberg an, Hilfsprojekte in Rumänien zu unterstützen.

Steiermark. Vor allem der Grazer Bürgermeister, Siegfried Nagl (ÖVP), setzte sich für sie ein. Er forderte schon 2013 Bettelzonen in der Innenstadt, für die sich Bettler im Magistrat eine Karte hätten holen müssen. Gekommen sind die Zonen bis heute nicht. Ebenso wenig das geplante Info-Center für Bettler, wo diese unter anderem über Regeln informiert worden wären. Ein verstärktes Problem mit Bettlern gebe es in der Steiermark derzeit aber nicht, heißt es seitens der Polizei.

Wien. Auch in Wien fordert die FPÖ immer wieder ein sektorales Bettelverbot, ein Thema ist es derzeit politisch allerdings nicht. In der Bundeshauptstadt ist – wie überall in Österreich – das stille Betteln erlaubt. Das heißt, die Menschen dürfen nur still bitten, Passanten aber etwa nicht festhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2016)

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